Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
kam näher zu ihnen herangeritten und sah sofort, dass Elea bereits wieder halb erfroren war. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und gewärmt, aber daran war jetzt nicht zu denken. Seine Rolle, die er zu spielen hatte, begann nämlich mit dem nächsten Schritt auf die Stadt zu. „Elea, du hast es bald geschafft. Der erbärmliche Zustand, in dem du dich gerade befindest, wird uns sehr hilfreich sein. Belana wird dich schnell unter ihre Fittiche nehmen. – Und egal, was jetzt gleich vor Roghan und Darrach passieren wird, vergiss nicht, dass ich dich liebe.“ Elea nickte unsicher. Kurz darauf drückte er Arok auch schon die Fersen unsanft in die Seiten und galoppierte auf die im Nebel verborgene Stadt zu.
Als sie wenig später, durch das Stadttor ritten, war Eleas Wahrnehmung nur auf ihr Gehör beschränkt, da sie ihre Augen fest geschlossen hielt. Das laute Klappern der Pferdehufe ließ darauf schließen, dass die Straße, auf der sie ritten, gepflastert war. In Rúbin gab es keine einzige befestigte Straße und in Galen hatte sie auch keine entdeckt. Darüber hinaus wurden sie von einem großen Stimmengewirr begleitet, das mit dem Weinen und Lachen von Kindern durchsetzt war. Ein Hund hörte nicht auf zu bellen, sodass es nicht lange dauerte, bis ein paar seiner Artgenossen mit in das Gebell einstimmten. Auch das klirrende Geräusch von Pferdegeschirren und über die Pflastersteine ratternde Holzräder hallten durch die Stadt. Von jetzt auf nachher verstummten jedoch die Stimmen um sie herum. Sie öffnete langsam ihre Augen und sah links und rechts am Straßenrand Männer und Frauen stehen, die sie und ihre Begleiter regungslos anstarrten. Plötzlich ertönte eine laute Männerstimme. „Der Schwarze Jäger ist zurück! Zum ersten Mal mit einer Frau!“ Dieser Ausruf wurde wie ein Echo von einer Stimme zur anderen in das Innere der Stadt fortgetragen – zunächst gefolgt von noch lauterem Stimmengewirr, das aber jäh erstarb, je weiter sie die Straße entlangritten. Elea hörte darauf Jadora knurren. „Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis es der König weiß.“ Elea versuchte, die sie anglotzenden Menschen auszublenden und konzentrierte ihren Blick auf die Gebäude. Sie waren ausnahmslos aus Stein gebaut und reihten sich nahtlos aneinander wie eine undurchdringbare Wand. Keine Lücke war zu erkennen. Nur ab und zu öffneten sich von der breiten Straße, auf der sie entlang ritten, enge Gassen, die zu noch finstereren Winkeln führten. Alles um sie herum schien, von einer Dunkelheit verschluckt zu werden. Einzig der nebelverschleierte Himmel strahlte zumindest ein tristes Grau aus. Eleas Beklemmung nahm von Augenblick zu Augenblick zu. Nicht nur, dass sie sich hier in dieser Stadt wie im Gefängnis fühlte, abgeschnitten von jeglicher Natur, auch die stetig wachsende Menschenmenge, die sich sensationslustig an den Straßenrand drängte, ließ allmählich ein Gefühl von Panik in ihr aufsteigen. Mancherorts kam es sogar zu lautstarken Rangeleien zwischen den Schaulustigen, nur um einen Blick auf sie zu erhaschen. Ihr Griff um Jadoras Brustpanzer verstärkte sich zunehmend, woraufhin der Mann ihre Hand beruhigend tätschelte.
Der Ritt durch diese grauenvolle Stadt kam Elea endlos lange vor. Sie hielt schon wieder eine ganze Zeit lang ihre Augen geschlossen, als sie plötzlich Jadoras Stimme vernahm. „So, Elea! Die Stadt haben wir fast hinter uns. Vor uns kannst du bereits das nördliche Stadttor erkennen. Wir müssen dann nur noch über die Brücke und den Berg hinauf, bis wir endlich unser Ziel erreicht haben.“ Elea warf einen Blick zu Maél, der direkt vor Jadora erhobenen Hauptes ritt und sich von der tuschelnden Menschenmenge nicht beeindrucken ließ. Wie soll ich nur von dem Pferd hinunterkommen, geschweige denn einen Fuß vor den anderen setzen. Endlich passierten sie das Stadttor. Elea nahm einen tiefen Atemzug – so gut das eben ging mit vor Kälte und Angst verkrampftem Körper. Sie hatte kaum noch Gefühl in ihren Fingern und Gliedern. Sie sah an Jadora vorbei, um einen Blick auf das zu werfen, was sie gleich ebenso wie die Stadt verschlucken und wahrscheinlich nicht wieder so schnell durch seinen Schlund in die Freiheit entlassen würde: das Schloss.
Sie ritten durch dicke Nebelschwaden hindurch, die sich nur langsam bewegten. Durch eine kleine lichte Stelle lugte der steinerne Torbogen hervor, der den Weg zu einer Brücke freigab. Wie weit die Brücke führte, blieb im Nebel
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