Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
beigewohnt hatte. Elea hatte bisher nur einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht geworfen und außer dem langen, schlohweißen Haar, das es umrahmte, hatte sie seine Gestalt kaum wahrgenommen. Doch durch seine Regung fiel ihr auf, dass er mindestens genauso groß wie Maél sein musste, aber viel schlanker, um nicht zu sagen mager. Er trug im Gegensatz zu Roghan ein schlichtes, hellbraunes Gewand, um das er einen einfachen Ledergürtel trug. „Ich denke, das wisst Ihr ganz genau, Elea. Maél hätte sicherlich nicht die weite Reise zurück nach Moray mit Euch unternommen, wenn Ihr nicht – ja, wie soll ich sagen? - gewisse Merkmale erfülltet. – Bevor wir also über den Dienst sprechen, den Ihr Eurem König erweisen sollt, wollen wir uns vielleicht doch erst einmal von der Echtheit der besagten Merkmale überzeugen.“
„ Darf ich Euch meinen Berater und engsten Vertrauten Darrach vorstellen?“ Roghan machte eine knappe Geste zu dem Mann neben ihm. Nur einen Augenblick später gab Darrach Maél ein Zeichen. Dieser zögerte nicht einen Wimpernschlag und riss das Stück schwarzen Stoff seiner alten Tunika von Eleas Kopf. Ein Raunen ging durch die riesige Halle, als Eleas dunkelbraune, rot schimmernde Haarpracht den Rücken hinunterfiel. Sie reichte ihr mittlerweile bis über die Mitte des Rückens. Erst durch das Raunen wurde Elea auf die vielen Menschen aufmerksam, die in der Halle zugegen waren: Krieger standen mit Schwertern oder Lanzen bewaffnet ringsum die Halle verteilt und Diener, die mit verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt waren, hielten vor Staunen inne. Der König unterbrach mit bewundernder Stimme die Stille, die allein durch das Knacken der Holzscheite in den Feuergruben gestört wurde. „Ihr habt wahrlich außergewöhnlich schönes Haar und diese roten Haarsträhnen sind zweifelsohne einzigartig in meinem Königreich.“ Elea war so überrumpelt von Maéls demütigender Handlung, dass ihr die Worte fehlten. Sie warf ihm nur einen hasserfüllten Blick zu, den er gekonnt mit einem höhnischen Lächeln erwiderte. „Und sie leuchten tatsächlich bei Nacht?“, fragte der morayanische Herrscher nach. „Ja!“, antworteten Maél und Jadora wie aus einem Munde. „Sie leuchten nicht nur in nächtlicher Schwärze so rot wie die Glut von Feuer, sondern in jeder erdenklichen Dunkelheit. - Das ist jedoch noch nicht alles. Sie hat sich ihr Haar in jener Nacht, in der ich sie gefangen nahm, abgeschnitten, sodass es ihr nur bis zu den Schultern reichte. Dies liegt nur etwa fünf Wochen zurück!“ Wieder war ein Raunen zu vernehmen. Roghans Gesichtsausdruck schwankte zwischen Bewunderung und Befremdung, während Darrachs rechte Augenbraue alarmiert in die Höhe schoss. „Gibt es noch weitere körperliche Besonderheiten an ihr?“, wollte er mit ungezügelter Neugier wissen. „Ja, die gibt es. Im Laufe der Reise sind ihr auf dem Rücken höckerartige Gebilde gewachsen.“ Elea spürte, wie die Flammen ihrer Wut immer stärker loderten. Er spielt seine Rolle wirklich perfekt! Was hat dieser Mistkerl vor? Will er meinen Rücken vor allen hier in der Halle entblößen? Sie hatte kaum den Gedanken zu Ende gedacht, da hielt er ihre beiden Arme bereits mit einer seiner tellergroßen Hände in einem erneuten schmerzhaftem Griff umschlungen und riss ihre Lederjacke samt der darunterliegenden drei Stofflagen soweit den Rücken hoch, dass drei der Höcker für alle gut sichtbar waren. „Du elender Bastard!“, schrie sie ihn an. Und um ihrer Beschimpfung noch Nachdruck zu verleihen, trat sie ihm ans Schienbein und spuckte ihm ins Gesicht. Alle Anwesenden –König Roghan und sein Berater eingeschlossen – zogen hörbar die Luft ein und warteten gespannt auf die Reaktion des schwarzen Jägers , dessen Opfer gewöhnlich demütig vor ihm auf den Knien lagen und um Gnade winselten. Maél sah der jungen Frau außer sich vor Wut in die Augen. Während er mit einer Hand immer noch ihre beiden Arme festhielt, holte er mit seiner freien Hand weit zu einem Schlag aus, als plötzlich die angespannte Stille von einer lauten Frauenstimme vom anderen Ende der Halle kommend durchbrochen wurde: „Nein! Aufhören! Wagt es nicht die Hand gegen dieses hilflose Mädchen zu erheben!“ Elea konnte von hinten herbeieilende Schritte und das Rascheln von Stoff hören. Wenige Augenblicke später erreichte eine stattliche Frau mittleren Alters, die lautstark nach Atem rang, die dreiköpfige Gruppe vor dem Thron. Sie trug ein kostbares, mit
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