Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
schrie ihn sogleich aufgebracht zu: „Was hast du Ihr jetzt schon wieder angetan?“
„ Ich habe Ihr gar nichts getan. Sie ist auf einmal ohnmächtig geworden.“
„ Ja, natürlich! Dieses Mädchen hat die Konstitution eines Ochsen und wird von jetzt auf nachher ohnmächtig“, fauchte er den jüngeren Mann an. Maél schritt an ihm vorbei zu Eleas Schlafplatz. Jadora folgte ihm. Er legte sie behutsam auf ihren Umhang und streichelte ihre Wange. „Ich schwöre dir, Jadora, ich habe Ihr nichts getan. Aber sie hat irgendetwas mit mir gemacht. Ich weiß nicht, was und wie sie es getan hat. Es war... unglaublich!“, sagte Maél zugleich besorgt und fasziniert. Er fing bereits an, Eleas Wangen leicht zu klatschen. Aus Angst er würde ihr gleich eine Ohrfeige geben, reichte Jadora ihm einen Wasserschlauch. „Immerhin hat sie es geschafft, dich zur Vernunft zu bringen und wieder zum Lagerplatz zu bewegen.“ Maél schüttete den halben Wasserschlauch auf Eleas Gesicht, bis sie endlich die Augen aufschlug. Zuerst nahm sie Maél wahr, dann Jadora. Dann sah sie wieder in Maéls leuchtend blaues Auge und in sein nachtschwarzes, das den silbrig-weißen Schimmer vom Morgen verloren hatte. Sie erinnerte sich sofort, was geschehen war. „Maél, wie geht es dir?“, wollte sie noch etwas benommen wissen. „Mir geht es gut. Ruh dich noch aus! Wir brechen bald auf. Ich gehe Arok satteln.“ Mehr hatte er nicht zu sagen. Er stand auf und bellte den Kriegern ein paar Befehle zu, während er zu Arok schritt. Jadora schüttelte aufgebracht den Kopf. „Er hätte Euch fragen sollen, wie es geht, nicht Ihr ihn .“
„ Mir geht es gut, Jadora. Ich sollte vielleicht noch eine Kleinigkeit essen, damit ich nicht vor Schwäche vom Pferd falle. Haben wir noch etwas Fleisch übrig?“, fragte Elea in der Absicht, ihn abzulenken. „Ich denke schon. Wartet! Ich bringe Euch etwas.“ Elea beobachtete von ihrem Platz aus, wie Maél übereifrig sein Pferd sattelte und mit dem Gepäck belud. Ihm ist das, was gerade zwischen uns geschehen ist, bestimmt peinlich, wenn nicht sogar unheimlich. Elea akzeptierte Maéls Verhalten, zumindest für den Moment. Sie musste sich sowieso noch mit etwas auseinandersetzen, was sie selbst betraf. Als sie vorhin in sich die Wärme aus ihren Erinnerungen an glückvolle Erlebnisse ansammelte, verspürte sie immer wieder ein Gefühl, das stärker als alle anderen war. Sie zog diese Wärme aus Bildern, in denen sie sich zusammen mit Maél sah, zum Beispiel wie er sie wärmte, als sie fror, wie sie ihn pflegte, als er im Fieber lag oder wie er sich – Jadoras Erzählung zufolge - zärtlich um sie kümmerte, als sie halb erfroren war. Sie wusste jetzt mit einem Schlag, was in ihr im Laufe der letzten Tage erblüht war: Zuneigung. Sie empfand tatsächlich Zuneigung für diesen Mann, der sie auf brutalste Weise aus ihrem behüteten Leben gerissen hatte. Aber sie hatte noch etwas Anderes gefühlt, als sie ihn berührte. In ihm schwelten lauter schlechte und zerstörerische Gefühle – zerstörerisch für andere, aber was noch fataler war, zerstörerisch für sich selbst. Das stärkste dieser Gefühle war das Gefühl, das im völligen Widerstreit zu ihrem stärksten Gefühl stand: Hass. Elea beschloss, diese schreckliche Empfindung in ihm zu bekämpfen, koste es, was es wolle. Doch um seinen Hass bekämpfen zu können, musste sie erst einmal herausfinden, woher er rührte. Die Frage war nur, ob die Dauer ihrer Reise nach Moray genügen würde, um den Grund für seinen düsteren Seelenzustand aufzudecken.
Kapitel 6
Maél wollte nicht mehr zu dem laut Karte einzigen Pfad zurückkehren, was alle begrüßten. Die Männer hatten bereits alle ihre Pferde bestiegen, als Elea immer noch verloren zwischen Maél und Jadora stand und darauf wartete, dass einer sie zu sich hochzog. Maél zögerte kurz. Dann streckte er ihr die Hand entgegen. „Du reitest ab sofort nur noch mit mir. Jadora scheint, mit dieser Aufgabe überfordert zu sein. Und solange du noch so schwach bist, sitzt du schön vor mir.“ Elea nickte erleichtert. Als Maél sie jedoch mit einem kräftigen Ruck zu sich hochziehen wollte, schrie sie vor Schmerzen auf. Er hielt erschrocken in seiner Bewegung inne. „Was ist los?“, fragte er besorgt. „Mein ganzer Körper besteht aus blauen Flecken durch den Sturz vom Abhang hinunter.“
„ Das habe ich vollkommen vergessen. Und was ist mit deinem Rücken? Die Wunden von der Peitsche muss ich mir noch
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