Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
äußerst schwierig ist. Also gebt ihm noch ein paar Stunden Zeit!“
Elea setzte sich missmutig ans Feuer und sah zu, wie das geschmolzene Fett der Kaninchen brutzelnd in die Flammen tropfte. Warten und Geduld haben waren noch nie ihre Stärken gewesen. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig. Dass es wieder gebratenes Fleisch gab, hob auch nicht gerade ihre Stimmung. Sie sehnte sich nach einem frisch gebackenen Brot oder nach einem Gemüseeintopf.
Die Zeit verging wie im Schneckentempo. Jadora verteilte wie immer Fleischrationen und bedachte sie mit einem besonders großen Stück. Auch das noch! Er sah sie dabei mit einem Blick an, der keinen Protest duldete. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Breannas Lederhose lag mittlerweile nicht mehr wie eine zweite Haut an ihrem Körper an, sondern schlug Falten. Beim lustlosen Kauen begutachtete Elea noch einmal den durch die Baumkronen durchschimmernden, grauen Himmel. Noch regnete es nicht. Sie konnte es kaum erwarten, diesen unheimlichen Wald zu verlassen. Kein Vogel war weit und breit zu sehen oder zu hören.
Nachdem alle mit dem Essen fertig waren, gesellte sich Jadora zu ihr und fing ein Gespräch an: „Also eines kann ich Euch gleich sagen. Mitleid kann er überhaupt nicht vertragen.“
„ Vielleicht nur, weil er bisher noch keines selbst empfunden hat. Sein Verhalten hat sich mir gegenüber aber seit jener Nacht gewaltig gewandelt. Manchmal kann er richtig liebevoll sein. Außerdem: Findet Ihr nicht, dass er damals, als ich frierend auf der Stelle herumgehüpft bin, schon Mitleid mit mir gehabt hatte. Sonst hätte er mich nicht gewärmt, ganz zu schweigen von vorletzter Nacht, in der er darauf bestanden hatte, dass ich mich mit ihm unter sein Schlaffell legen sollte“, gab Elea zu bedenken. „Ja. Da habt Ihr nicht unrecht. Und von dem allerersten Mal, als er Mitleid mit Euch, wenn nicht sogar Angst um Euch hatte, wisst Ihr ja nicht einmal, weil Ihr halb tot ward.“
„ Meint Ihr die Nacht, in der er mich an den Baum gehängt hat?“, fragte Elea nach. Jadora nickte. „Was ist denn noch geschehen, außer dass er wahrscheinlich jedes Detail meines nacktes Körpers gesehen hat?“, fragte Elea etwas unsicher. Bevor Jadora antwortete, sah er misstrauisch zu Maél hinüber. „Ich hoffe, Euch ist bewusst, dass er jedes Wort unserer Unterhaltung bisher gehört hat.“ Stimmt! Das hatte ich völlig vergessen. Elea überlegte kurz, ob es besser wäre, wenn er nicht wüsste, dass sie über ihn plauderten. Vielleicht war es gar nicht einmal so schlecht. So konnte sie Dinge sagen, die er sich möglicherweise nie von ihr ins Gesicht sagen ließe. „Erzählt! Was ist damals noch passiert?“
„ Nachdem wir Euch entkleidet und in die Felle gewickelt hatten, erkannte Maél bald, dass das nicht ausreichen würde, um wieder Leben in Euren Körper zu bekommen. Deshalb entblößte er kurzerhand seinen Oberkörper, zog seine Stiefel aus und wickelte sich mit Euch in das Fell ein, um seine Körperwärme an Euch weiterzugeben.“ Jadora machte eine bedeutungsvolle Pause. Die Augen der Frau wurden immer größer. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sollte sie darüber aufgebracht sein, weil er ihr so nahe gewesen war? Oder sollte sie sich einfach nur über diese doch schon recht frühe zärtliche Geste wundern, wenn nicht sogar freuen? Sie schaute zu Maél hinüber, in Erwartung einer Reaktion seinerseits auf Jadoras Preisgabe. Diese blieb jedoch erstaunlicherweise aus. „Und das war noch nicht alles. Er bestand darauf, Euch eigenhändig heißen Tee einzuflößen. Er hielt Euch danach länger in den Armen als unbedingt nötig gewesen wäre. – Na, ja. Vielleicht war es gar kein Mitleid, sondern nur die Sorge, seinen Auftrag nicht zu erfüllen, wenn Ihr gestorben wärd,“ schmälerte Jadora wiederum Maéls Akt der Nächstenliebe. „Das glaube ich nicht, Jadora. Ich spüre, dass da etwas zwischen uns entstanden ist. Ich weiß, es klingt absurd, aber ich hasse ihn überhaupt nicht mehr wie am Anfang, und das obwohl er mir die ersten Tage soviel Gewalt entgegengebracht hat und so voller Hass war. Und ich fühle, dass ich ihm auch nicht gleichgültig bin. Aber irgendetwas hält ihn zurück, es mir zu zeigen.“
„ Elea, wie alt seid Ihr eigentlich? Ihr seht aus wie ein Mädchen von höchstens fünfzehn Jahren, verfügt aber über Fähigkeiten und ein Einfühlungsvermögen eines Erwachsenen.“ Elea überlegte, ob sie ihr Alter verraten sollte. Sie hatte es
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