Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
lange Lederriemen durch den brachialen Schlag des Anführers tief in das Fleisch der jungen Frau eingedrungen sein musste. Er hatte jetzt noch ihren schmerzerfüllten Schrei in den Ohren. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er, seitdem er Darrachs Ring um den Hals trug, nie wieder für einen Menschen Mitleid empfunden. Doch bei ihr schien sich sein Leben auf den Kopf zu stellen.
Endlich war das Fleisch gar. Jadora teilte wie immer die Rationen zu. Maél setzte sich auf den freien Platz neben Elea. Sie sahen sich kurz in die Augen. Dann hielt Jadora Elea schon eine riesige Keule vor die Nase, die sie sogleich rümpfte. „Ich glaube, ich kriege heute keinen Bissen von dem Fleisch runter. Ich kann es nicht mehr sehen“, jammerte sie. Jadora sah alarmiert zu Maél. „Bitte Elea! Du musst essen. Du hast die letzten Tage kaum etwas zu dir genommen. Und die Verletzungen haben dich zusätzlich geschwächt. Tu es mir zuliebe! Bitte!“ Elea bekam fast eine Gänsehaut bei diesen Worten. So flehend hatte Maél noch nie mit ihr gesprochen, ganz zu schweigen von seinem besorgten Unterton. Sie nickte ihm zu und quälte sich noch ein Lächeln ab. Dann begann sie tapfer, das Fleisch von der Keule abzunagen und Bissen für Bissen hinunterzuwürgen.
Die Krieger waren schon lange mit dem Essen fertig und hatten sich schon schlafen gelegt, als Elea immer noch kauend mit ihrer Keule in der Hand am Feuer saß. Maél war unerbittlich. Er bestand darauf, dass sie das ganze Fleisch von der Keule nagte. Als sie endlich fertig war, reichte er ihr seinen Wasserschlauch, den sie fast leer trank. Anschließend stand er auf und reichte ihr die Hand, um ihr hoch zu helfen. Als sie ihren Schlafplatz erreichten, forderte Maél sie auf: „Mach deinen Rücken frei! Ich will mir die Wunden ansehen.“ Elea kam plötzlich ein Gedanke. Sie drehte sich abrupt zu ihm um und stemmte die Hände herausfordernd in die Hüften.
„ Wie willst du denn bei dieser Finsternis etwas sehen? Ich kann ja kaum meine eigene Hand erkennen.“ Maél räusperte sich verlegen. „Ich habe gewisse... Fähigkeiten,...“
„ Ja, ja, ja, ich weiß. Du bist ein Lügner. In jener Nacht, als ihr mich bewusstlos vom Baum geholt und mich entkleidet habt, hast du meinen Körper sehr gut sehen können“, klagte sie Maél an. „Woher ... Verdammt! Ich weiß schon. Jadora hat es dir erzählt. Dieses Waschweib!“, knurrte er. „Oh, ja. Wir haben ein äußerst interessantes Gespräch über deine Fähigkeiten geführt. Nicht nur, dass deine Augen auch bei Nacht ausgesprochen gut sehen, dein Gehör ist auch um ein Vielfaches empfindlicher als meines. Ich will nicht wissen, über welche Fähigkeiten du noch verfügst.“
„ Also gut. Ich gebe zu, ich habe alles... von dir gesehen. Aber was hätte ich tun sollen? Hätte ich es dir, so verstört, wie du an jenem Tag warst, einfach sagen sollen? Das hätte dich doch nur unnötigerweise noch mehr aufgeregt”, rechtfertigte sich Maél. Elea schnaubte empört auf. „Und außerdem denke ich, dass du auch über gewisse Fähigkeiten verfügst, die du vor mir geheim hältst, oder etwa nicht?! Die Sache mit den Vögeln kommt mir äußerst verdächtig vor. Gar nicht zu reden von dem, was du mit mir heute Mittag im Wald gemacht hast.“ Elea schluckte. „Ja. Du hast recht. Aber du musst zugeben, ich bin dir gegenüber, was die Sinneswahrnehmung angeht, ziemlich im Nachteil, vor allem nachts. Du kannst immer genau jedes Detail meines Gesichtes sehen, während ich deine Augen nur erahnen kann, so wie jetzt zum Beispiel.“ Regungslos und schweigend standen sie sich gegenüber, bis Elea mit einem Mal die Jacke und das Hemd auszog. Sie machte gerade Anstalten, sich vor seinen Augen auch noch ihres Unterhemdes zu entledigen, als er sie in ihrer Bewegung jäh unterbrach. „Was hast du vor?“
„ Du wolltest dir doch die Wunden ansehen! Oder hast du es dir jetzt anders überlegt?“, anwortete sie immer noch in streitlustigem Ton.
„ Ja... Nein... Ja, natürlich! Ich will sie mir ansehen, aber dazu ist es nicht notwendig, dass du deine Brust vor mir entblößt“, erwiderte der hoch gewachsene Mann mit deutlichem Unbehagen. Elea konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Maél, ich bitte dich. Warum sollte ich meinen Körper jetzt noch vor dir verbergen, wo du doch schon alles gesehen hast?! Das wäre doch sinnlos. Oder ist es dir peinlich? Ich kann mich an einen Moment erinnern, in dem du sogar bereit warst, dich von meiner
Weitere Kostenlose Bücher