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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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ankleiden.“
    „Es besteht kein Grund, sich zu entschuldigen“, erwiderte er. „Und was Eure Garderobe betrifft, es gibt nichts, das ich nicht schon gesehen hätte. Kommt. Ich bringe Euch in den Salon, dort ist es wärmer.“
    Sue ging seiner Aufforderung ihm zu folgen nach, aber von Frieren konnte nicht die Rede sein. Ebenso konnte sie sich nicht erklären, warum seine Worte ihr das Gefühl gaben, es sei es das Normalste auf der Welt, im Nachtgewand vor ihm zu stehen. Ihr Körper glühte wie im Fieber, obwohl sie sich in keiner Weise krank fühlte. Genau genommen war sie sogar erleichtert, das saubere Nachtkleid zu tragen, anstatt in ihre abgetragenen Kleider zu steigen. Von den aufwendigen Gewändern in ihrem Gemach hätte sie vermutlich nicht mal gewusst, wie man diese anlegte. Was sie nun trug bestand aus mehr Stoff als drei ihrer eigenen Unterröcke und bedeckte sie immerhin züchtig genug, wenn man von dem tiefen Rundausschnitt absah.
    Der Lord schien gewillt, mit ihr zu sprechen. Sie wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Allerdings waren ihre Gedanken schrecklich ungeordnet, sodass sie befürchtete, von der Situation überfordert zu sein. Wieder betrat sie einen beleuchteten Raum. Langsam sollte sie sich an das Licht gewöhnen. Immerhin besser als funzeliger Kerzenschein, dennoch legte Sue gewohnheitsmäßig die Hand vor ihre Augen und drehte sich um. Der Lord griff an einen reich verzierten Wandring, der neben der Tür angebracht war und wie ein polierter Türklopfer aussah. Vermutlich die Klingel, um das Personal herbeizurufen. Doch statt daran zu ziehen, drehte er den Ring langsam und gleichzeitig verdunkelte sich das Licht im Raum.
    „Besser so?“ Er lächelte sie an.
    Es war entwaffnend. Seine Miene hellte sich auf, ein feiner Glanz spiegelte sich in seinen Augen wider. Ein völlig anderer Mensch schien vor ihr zu stehen. Sein herrisches Auftreten bei ihrer ersten Begegnung wurde Lügen gestraft.
    „Was für ein ungewöhnlicher Mechanismus.“
    „In der Tat.“ Er betrachtete sie eingehend. „Für gewöhnlich wittern Menschen schwarze Magie, wenn sie etwas sehen,das sie erstaunt.“
    Seltsam, wie er das Wort Menschen aussprach. Tatsächlich war ihr erster Gedanke Zauberei gewesen. Sie beschloss, es für sich zu behalten. Ihr gefiel die Art, wie er sie ansah. Sein offener Blick wechselte von ihren Augen zu ihrem Mund, wenn sie sprach, wodurch er sein Interesse an ihrer Meinung kundtat.
    „Verzeiht“, sagte er.
    Ehe Sue fragen konnte, wofür er sich entschuldigte, griff er die nachlässig gebundene Schleife ihres Gewandes und zog sie auf. Sue sog die Luft ein und wollte ausweichen, doch der Lord war bereits hinter sie getreten und band die Bänder an ihrem Rücken. Dabei zog er sie bis unter ihre Brust, sodass eine hochgezogene Taille entstand.
    „Französische Mode. In Schottland ist diese Tragweise nicht weit verbreitet“, erklärte er, während er zu einem der kostbar wirkenden Schränke ging.
    Irritiert und leicht beschämt blickte sie an sich hinab. Das Nachthemd war also ein Kleid, das nun in akkuraten Falten an ihrem Körper hinabfiel. Vermutlich trug man bei dieser Mode das Mieder darunter, nicht wie üblich über der Kleidung. Rasch prüfte sie mit der Hand ihre Frisur, um wenigstens den Anschein einer zivilisierten Garderobe zu vermitteln. Glücklicherweise befanden sich die Zöpfe noch an Ort und Stelle.
    Der Lord griff zwei reich verzierte Weinkelche. Sue folgte seinen eleganten Bewegungen. Mit Spitze besetzte Ärmel fielen über seine Hände, als er die Gläser mit Rotwein füllte. Sie nahm ein Glas entgegen und ließ sich zu einer gepolsterten Sitzbank führen. Ohne nachzudenken, nahm sie einen kräftigen Schluck. Der Wein war schwer und süß. Kein Vergleich zum wasserverdünnten Ale, das sie sonst zum Essen trank. Sofort überkam sie ein angenehmer Schwindel.
    Der Lord trank einen großen Schluck und beobachtete sie über den Rand des Glases. Die Spiegelung des Weins ließ silberne Farbpigmente in seinen Iris funkeln wie tausend kleine Sterne. Seine Anwesenheit schien den Raum auszufüllen. Jede Faser ihres Körpers fühlte sich zu ihm hingezogen. Dabei kannte sie ihn überhaupt nicht, verstand es nicht einmal. Gleichzeitig fand sie es verlockend. Um ihre Nervosität zu überspielen, nippte sie erneut an dem Wein, genoss das vollmundige Aroma. Winzige Schweißperlen kitzelten ihren Nacken, doch sie widerstand dem Impuls, sie wegzuwischen. War es wirklich so warm

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