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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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groß genug, hindurchzuschlüpfen. Wusste er es doch. Jedes noch so gefestigte Mauerwerk hatte eine Schwachstelle.
    Erneut fluchend über seine fehlenden Kräfte, kletterte er zum Ufer hinab und glitt in die dunklen Fluten. Noch nie hatte er den Einbruch der Dunkelheit mehr herbeigesehnt als in diesem Moment. Das eisige Meerwasser brannte in seiner Wunde wie die Hölle. Doch die Kälte war stärker und betäubte den Schmerz weitgehend, sodass er ihn irgendwann kaum noch spürte. Es gelang ihm, seine vergleichsweise geringen menschlichen Kräfte zu mobilisieren und andem zerstörten Bootssteg entlangzuschwimmen. Die nassen Kleider klebten ihm am Leib und drohten, ihn in die dunklen Fluten hinabzuziehen. Seine Muskeln schmerzten, schienen sich dem Schicksal längst ergeben zu haben. Cayden richtete den Blick stur auf sein Ziel. Spuckte nach jedem erschöpften Atemzug Wasser. Er versuchte seine Arme möglichst gleichmäßig zu bewegen, ließ sich mitunter über die Wasseroberfläche treiben, um sich zu schonen. Immer wieder musste er der Versuchung widerstehen, einfach die Augen zu schließen und aufzugeben. Ihm schwindelte. Verzweifelt kämpfte er dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren. Seine Erleichterung hätte nicht größer sein können, als er endlich steinigen Boden unter sich fühlte. Mit einem Stoß schleuderte ihn das Meer gegen das Mauerwerk. Im letzten Moment bekam er der Rand des vergitterten Schachts zu fassen. Er zog sich näher heran, während die Strömung an seinen Beinen zerrte und versuchte, ihn zurückzuziehen in ein dunkles, feuchtes Grab.
    Er presste die Hand auf seine Wunde und kroch in den Schacht. Mit aller Kraft rüttelte er an dem rostigen Gitter und stellte erleichtert fest, dass es sich aus der morschen Halterung hebeln ließ.
    Auf allen vieren machte er sich auf den Weg durch die gewundenen Gänge. Es wurde immer dunkler, je tiefer er in die Höhle vordrang. Mit den Fingerknöcheln tastete er über die niedrige Decke, versuchte, sich notdürftig zu orientieren. An einigen Stellen musste er den Kopf einziehen. Vor ihm vernahm er kleine, tapsende Pfoten und quiekende Geräusche von Ratten, die das Weite suchten, als sie den ungeladenen Gast bemerkten.
    Nach einer Weile gelangte er in einen Felsenraum, an dessen Wänden brennende Fackeln in Metallhalterungen angebracht waren. Überall standen Kisten und Säcke herum, der Boden war übersät mit achtlos liegen gelassenen Werkzeugen. Der Geruch von Fäkalien mischte sich unter die hereinströmende Seeluft. Anscheinend befand er sich mitten im Kerker hinter Blacks Haus.
    In der Mitte des Raums blieb er stehen und hielt nach einem weiteren Gang Ausschau. Ein scharrendes Geräusch erweckte seine Aufmerksamkeit. Er hielt den Atem an, versuchte, die Richtung auszumachen, aus der das Geräusch kam. Langsam näherte er sich einem in die Felswand eingelassenen Gitterverschlag. Im Vorbeigehen griff er nach einer Fackel. Das Scharren wurde lauter, klang wie nervöses Hufgetrappel. Er blickte in vor Dreck starrende Gesichter. Ausgemergelte Leiber drückten sich im entlegensten Winkel aneinander, als könnten sie mit der Felswand verschmelzen. Große, schwarze Augen schimmerten durch das Dunkel, starrten ihm angstvoll entgegen. Verschreckte Laute ertönten, während die Insassen sich Schutz suchend an den Händen fassten.
    „Habt keine Angst. Ich hole euch da raus.“ Er hob beschwichtigend die Hand, weil er nicht sicher war, ob sie seine Sprache verstanden.
    Cayden rüttelte am Gatter, doch das Vorhängeschloss hielt sich standhaft. Auf dem Boden erspähte er eine Eisenstange und ergriff sie.
    „Sir? Lord Maclean?“ Eine ungläubige Stimme drang aus dem Verlies.
    „Babu“, erwiderte er überrascht. „Wieso bist du hier eingesperrt? Ich dachte, du wärst mit Sue beim Sheriff.“
    Er machte sich daran, das Gitter aufzubrechen. Umgehend kam Bewegung in die Gruppe, auch wenn sich keiner von ihnen hinauswagte. Aus dem aufgeregten Gemurmel vernahm er Wortfetzen über eine Bestie. Babu trat aus der Gruppe und blickte ihn mit großen Augen an.
    „Mylord, wie ist es möglich, dass ihr bei Tage wandelt?“
    Er betrachtete die Frau aus zusammengekniffenen Augen. Natürlich war ihm in den vergangenen Jahren nicht entgangen, dass die beiden Zigeuner bei ihm Zuflucht gesucht hatten, obwohl ihnen schon nach kurzer Zeit aufgefallen sein musste, dass er kein gewöhnlicher Lord war. Dennoch verwunderte ihn die Selbstverständlichkeit, mit der Babu seine Art

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