Elefanten vergessen nicht
seufzte.
Mrs Oliver wechselte das Thema. »Glauben Sie, dass für mich eine Perücke das Richtige wäre?«, fragte sie.
Mrs Rosentelle legte prüfend eine Hand auf Mrs Olivers Kopf. »Ich würde Ihnen nicht dazu raten. Sie haben prachtvolles Haar – noch immer dicht. Ich überlege…« Ein leises Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Sie wollen sie nur so zum Spaß?«
»Wie klug von Ihnen, das zu erraten. Es stimmt. Ich liebe Experimente…«
»Sie genießen das Leben, nicht wahr?«
»Ja, das tue ich. Es ist wohl das Gefühl, dass man nie weiß, was als Nächstes passiert.«
»Aber aus diesem Grund«, meinte Mrs Rosentelle, »machen sich viele Menschen ständig Sorgen.«
16
M r Goby betrat das Zimmer und setzte sich, als Poirot ihn dazu aufforderte, auf seinen gewohnten Platz. Er sah sich im Raum um und überlegte, was er heute wählen sollte. Mr Goby war dafür bekannt, dass er beim Sprechen sein Gegenüber nie direkt ansah. Stattdessen suchte er sich einen Heizkörper aus, ein Fernsehgerät, mal eine Uhr, mal einen Teppich oder eine Matte.
»Also«, sagte Hercule Poirot, »haben Sie was für mich?«
»Ich habe verschiedene Details gesammelt«, antwortete Mr Goby und holte ein paar Papiere aus der Brieftasche.
Mr Goby war in London – vielleicht sogar in ganz England als Lieferant von Informationen bekannt. Wie er seine Wunder vollbrachte, wusste niemand genau. Er beschäftigte nicht viele andere Leute. Aber die Ergebnisse ließen seine Auftraggeber jedes Mal staunen.
»Mrs Burton-Cox«, begann er und kündigte den Namen an wie der Kirchendiener eine Bibelstelle. Er hätte genauso gut »Buch Jesaia, viertes Kapitel, dritter Vers«, sagen können.
»Mrs Burton-Cox«, wiederholte er. »Heiratete Mr Cecil Aldbury, Knopffabrikant. Reicher Mann. Politiker. Er starb vier Jahre nach der Eheschließung durch einen Autounfall. Das einzige Kind aus dieser Ehe starb kurz danach ebenfalls durch einen Unfall. Mr Aldburys Vermögen erbte seine Frau, es war aber nicht so groß wie vermutet, die Firma ging nicht mehr so gut. Außerdem hinterließ Mr Aldbury eine beträchtliche Summe einer Miss Kathleen Fenn, zu der er anscheinend intime Beziehungen unterhalten hatte, von denen seine Frau nichts wusste. Mrs Burton-Cox machte politisch Karriere. Ungefähr drei Jahre später adoptierte sie ein Kind von Miss Kathleen Fenn. Miss Kathleen Fenn behauptete, dass es der Sohn des verstorbenen Mr Aldbury wäre. Dies scheint mir, nach allem, was ich hörte, etwas fragwürdig. Denn«, fuhr Mr Goby fort, »Miss Fenn unterhielt viele Beziehungen, meist zu wohlhabenden und großzügigen Herren, aber schließlich – so viele Leute haben ihren Preis, nicht wahr? Ich fürchte, ich werde Ihnen eine ganz ordentliche Rechnung schicken müssen.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Kurz danach heiratete Mrs Aldbury Major Burton-Cox. Miss Kathleen Fenn wurde – das kann man wohl sagen – eine sehr erfolgreiche Schauspielerin und Popsängerin und verdiente viel Geld. Sie schrieb an Mrs Burton-Cox, dass sie ihr Kind gern zurückhaben würde. Mrs Burton-Cox lehnte ab. Major Burton-Cox kam in Indien ums Leben. Er hinterließ seine Frau nicht unversorgt. Außerdem habe ich erfahren, dass Miss Kathleen Fenn, die kürzlich starb, ein Testament gemacht hatte, in dem sie ihr gesamtes Vermögen – eine beträchtliche Summe – ihrem natürlichen Sohn Desmond Burton-Cox vererbte.«
»Sehr großzügig«, sagte Poirot. »Woran starb Miss Fenn?«
»Angeblich an Leukämie.«
»Und der Junge erbte das ganze Geld?«
»Es wird treuhänderisch verwaltet, bis er fünfundzwanzig ist.«
»Dann wird er also unabhängig sein und ein beträchtliches Vermögen besitzen. Und Mrs Burton-Cox?«
»Hatte bei ihren Investitionen keine sehr glückliche Hand, wie man hört. Sie besitzt genug zum Leben, aber nicht viel mehr.«
»Hat der junge Desmond sein Testament gemacht?«
»Das«, gestand Mr Goby, »weiß ich leider noch nicht. Aber ich habe Mittel und Wege, es zu erfahren. Wenn’s so weit ist, werde ich es Ihnen sofort mitteilen.«
Mr Goby verabschiedete sich und verbeugte sich geistesabwesend vor dem elektrischen Kamin.
Etwa eineinhalb Stunden später läutete das Telefon.
Hercule Poirot machte sich gerade Notizen auf ein Blatt Papier. Ab und zu runzelte er die Stirn, zwirbelte seinen Schnurrbart, strich etwas durch und schrieb weiter. Als das Telefon läutete, nahm er den Hörer ab und lauschte.
»Danke«, sagte er dann. »Das war rasche Arbeit. Ja…
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