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Elefanten vergessen nicht

Elefanten vergessen nicht

Titel: Elefanten vergessen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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dass sie für das Geschehene verantwortlich war, und hielt eine psychiatrische Behandlung für angebracht.«
    »Ihr Vater war überzeugt von ihrer Schuld?«
    »Ja. Damals gab es eine sehr populäre Behandlungsmethode, die auch mein Vater vertrat. Die Idee war, dass nach einer ausreichenden Behandlung, die manchmal ziemlich lange dauerte – ein Jahr oder mehr –, die Patienten wieder ihr normales Alltagsleben leben konnten. Man schickte sie nachhause, wo sie, bei entsprechender ärztlicher Betreuung und Rücksichtnahme in der Familie, ein normales Leben führen konnten. Ich darf bemerken, dass diese Methode in vielen Fällen zunächst Erfolg hatte, aber später änderte sich das. Es gab unglückselige Rückschläge. Anscheinend geheilte Patienten kehrten in ihre gewohnte Umgebung zurück, in die Familie, und wurden langsam rückfällig, sodass es mehrmals zu Tragödien kam oder beinahe gekommen wäre. Besonders in einem Fall wurde mein Vater bitter enttäuscht – er hatte eine Frau als geheilt zu ihrer Freundin zurückgeschickt, mit der sie früher zusammengelebt hatte. Alles schien gut zu gehen, aber nach fünf oder sechs Monaten ließ sie einen Arzt kommen und sagte zu ihm: ›Ich weiß, Sie werden deswegen böse auf mich sein und die Polizei holen. Aber ich musste es tun. Ich sah den Teufel in Hildas Augen und wusste, dass ich sie töten musste.‹ Die Freundin lag erwürgt in einem Stuhl mit zerstörten Augen. Die Mörderin starb im Irrenhaus, ohne sich je ihres Verbrechens bewusstzuwerden. Sie wusste nur, dass man ihr befohlen hatte, den Teufel zu vernichten.«
    Poirot schüttelte bedauernd den Kopf.
    Dr. Willoughby fuhr fort: »Nun, ich bin der Ansicht, dass Dorothea Preston-Grey an einer verhältnismäßig leichten, aber trotzdem gefährlichen Form von Geisteskrankheit litt und Aufsicht brauchte. Das wurde damals, wenn ich das so sagen darf, nicht ganz eingesehen, mein Vater hielt es nicht für ratsam. Sie kam nur in ein sehr gutes Pflegeheim und verließ die Anstalt nach einigen Jahren, wie es schien, völlig geheilt. Sie führte ein ganz normales Leben, zusammen mit einer reizenden Krankenschwester, die nach außen hin als ihr Dienstmädchen galt. Sie reiste viel, war sehr kontaktfreudig und ging irgendwann ins Ausland.«
    »Nach Indien«, ergänzte Poirot.
    »Ja. Sie sind richtig informiert. Sie ging nach Indien, um dort bei ihrer Zwillingsschwester zu leben.«
    »Und dann passierte wieder etwas?«
    »Ja. Ein Nachbarskind wurde tätlich angegriffen. Zuerst glaubte man, von einer Amme, dann verdächtigte man einen eingeborenen Diener. Aber wieder schien es keinen Zweifel zu geben, dass Mrs Jarrow, aus einem Grund, den nur sie kannte, der Täter war. Es gab keinen definitiven Beweis. Der Mann ihrer Zwillingsschwester, General…«
    »Ravenscroft?«, half Poirot nach.
    »Ja, richtig! General Ravenscroft war damit einverstanden, dass sie nach England zurückkehrte und sich wieder einer psychiatrischen Behandlung unterzog. Ist es das, was Sie wissen wollten?«
    »Ja«, antwortete Poirot, »einen Teil der Geschichte wusste ich schon, aber nur vom Hörensagen, worauf man sich ja nicht verlassen kann. Ich wollte Sie fragen, da dies ja ein Fall von eineiigen Zwillingen ist, was mit dem anderen Zwilling los war? Margaret Preston-Grey, die Frau von General Ravenscroft. Könnte sie ebenfalls geistig nicht ganz normal gewesen sein?«
    »Sie war nie ein medizinischer Fall. Sie war völlig gesund. Mein Vater hat sie ein- oder zweimal besucht und mit ihr gesprochen, weil er häufig Fälle fast gleichartiger Erkrankungen oder seelischer Störungen bei eineiigen Zwillingen festgestellt hatte, die sich einmal sehr zugetan gewesen waren.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Aus bestimmten Gründen kann sich zwischen eineiigen Zwillingen eine gewisse Animosität entwickeln. Sie folgt auf eine zunächst große, gegenseitige Liebe und kann zu etwas wie Hass degenerieren, wenn irgendein emotioneller Stress zwischen den beiden entsteht, oder eine Gefühlskrise.
    Das könnte hier der Fall gewesen sein. Als junger Offizier verliebte sich General Ravenscroft in Dorothea Preston-Grey, die ein bildhübsches Mädchen war – die schönere der Schwestern –, und sie verliebte sich in ihn. Sie waren nicht offiziell verlobt. Kurz darauf änderte Captain Ravenscroft seine Meinung und wandte sich Margaret zu, der Schwester. Oder Molly, wie jeder sie nannte. Er bat um ihre Hand. Molly erwiderte seine Gefühle, und sie heirateten, sobald es seine

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