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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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»Nein«, wiederholte er sanfter. »Glaubt Ihr, ich kenne es nicht, Herrin? Das Leben eines gewöhnlichen Gehörnten, mit all den kleinen Peinlichkeiten und schmerzhaften Mitleidsbekundungen, die so etwas mit sich bringt? Glaubt mir, ich weiß, was ich hinter mir gelassen habe.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Cerelinde schaute zuerst auf seine Hände und dann in seine Augen. »Ist das der Grund, warum Ihr sie umgebracht habt?«
    »Nein.« Tanaros hob die Hände und betrachtete sie im schwachen Lampenschein. »Ich war wütend.« Er erwiderte ihren Blick. »Während der ganzen Geburt habe ich ihre Hand gehalten. Ich habe wegen ihrer Schmerzen geweint. Die Wut kam erst später, als ich das Kind gesehen habe. Als ich seine roten Haare gesehen habe und mir alles klar wurde. Als ich daran dachte, wie sie und Roscus sich immer angelächelt haben. Wie sie verstummt sind, wenn ich den Raum betreten habe. Es waren tausend solcher kleiner Begebenheiten, die erst später ihre Bedeutung erhielten. Ich habe sie gefragt, und sie hat es geleugnet. Sie hat gelogen. Sie hat mich angelogen. Erst als meine Hände um ihren Hals lagen, hat sie gestanden. Aber da war meine Wut schon zu stark gewesen.« Er hielt inne. »Das versteht Ihr nicht, oder?«

    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Keinen Teil davon, fürchte ich.«
    »Es heißt, die Ellylon können nicht lügen«, sagte er nachdenklich. »Stimmt das?«
    »Wir sind Haomanes Kinder«, erwiderte Cerelinde verwirrt. »Der Gedankenfürst hat uns geschaffen. Denken ist Reden; Reden ist Sein. Wie können wir etwas sagen, das nicht wahr ist? Genauso gut könnten wir uns selbst rückgängig machen. Das ist etwas, das ich mir nicht vorstellen kann.«
    »Nun gut.« Tanaros schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Wir sind Arahilas Kinder, und die Wahrheit des Herzens stimmt nicht immer mit der des Kopfes überein. Daran solltet Ihr denken, Hohe Frau, wenn Ihr vorhabt, einen von uns zu heiraten. Wenn ich unrecht habe und wir den kommenden Krieg verlieren, könnte das von großer Wichtigkeit werden.«
    »Aracus lügt nicht«, sagte sie mit Gewissheit.
    »Vielleicht nicht«, meinte er und wiederholte damit ihre eigenen Worte. »Vielleicht aber doch.«
    Schweigen senkte sich wie ein Leichentuch über den Raum.
    »Tanaros Königsmörder«, sagte Cerelinde schließlich. »Macht Ihr die Wut auch für seinen Tod verantwortlich? Denn es scheint mir, dass Ihr ihn einmal geliebt habt. Ansonsten hätte er Euch nicht so sehr verletzen können.«
    Lange schwieg er. Dann sagte er endlich: »Ja. Wut und Liebe. Das eine Gefühl verstärkt das andere, Cerelinde. Er war mein Lehensherr, und viele Jahre hindurch habe ich ihn als meinen Bruder angesehen. « Seine Lippen kräuselten sich zu einem weiteren krummen Lächeln. »Verstehen die Ellylon die Bedeutung des Wortes Verrat? «
    »Ja.« Sie sagte ihm nicht, woran sie gerade dachte – dass die Ellylon durch die Menschen erfahren hatten, was Verrat ist. So war es seit der Spaltung der Welt. Seit dem Heraufdämmern des Zweiten Zeitalters von Urulat hatten Arahilas Kinder die Gaben Haomanes begehrt. Und sie hatten Krieg gegen die Ellylon geführt, weil sie in ihrer Narrheit geglaubt hatten, sie könnten die Gaben eines Schöpfers durch Gewalt an sich bringen. »Ja, dieses Wort kennen wir.«

    »Also gut.« Nachdem er über ihre Worte nachgedacht hatte, schüttelte sich Tanaros wie ein Mann, der aus einem Traum auftaucht. Er räusperte sich. »Vergebt mir, Hohe Frau. Ich bin nicht hergekommen, um mit Euch über solche Dinge zu reden.«
    »Worüber dann?«, fragte Cerelinde einfach.
    Der Blick seiner dunklen Augen war fest und eindringlich. »Ich wollte Euch versichern, dass ich mich weiterhin um Euer Wohlergehen kümmere. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Sie neigte den Kopf. »Vielen Dank.«
    »Gut.« Tanaros spreizte die Hände auf seinen Knien. Er wollte aufstehen, zögerte aber. »Hohe Frau … falls es Euch recht ist, möchte ich Euch etwas außerhalb der Mauern von Finsterflucht zeigen. Morgen vielleicht?«
    Außerhalb .
    Zum dritten Mal innerhalb einer Stunde machte Cerelindes Herz einen Sprung. »O ja«, hörte sie sich selbst flüstern. »Bitte.«
    Tanaros erhob sich und verneigte sich knapp und zackig. »Morgen also.«
    Wie eine gute Gastgeberin brachte sie ihn zur Tür. Dort blieb er nur kurz stehen und betrachtete ihr Gesicht. Es lag etwas Fragendes in seinem Blick, das vorher nicht da gewesen war. Dann sah er weg und ging. Der Fjeltroll, der

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