Elementarteilchen kuessen besser
Anstand schaffen sollte, damit ich mir meine Zukunft nicht völlig versaute, und dass ich durch mein Verhalten unseren Vater zusätzlich zu seiner Trauer noch mehr belasten würde. Benny kam von da an jedes Wochenende und kümmerte sich um mich. Sprach viel mit mir, wenn ich meinen Frust loswerden musste. Nahm mich zu Ausflügen mit, lernte mit mir für Arbeiten. Nach einem Jahr ging es mir wieder einigermaßen. Trotzdem hatte ich die rebellische Phase bei Weitem noch nicht hinter mir. Das Abi bestand ich auch nur, weil Ralf und Tobi ständig mit mir für die Prüfungen büffelten – obwohl die beiden alles andere als Musterschüler waren.“ Er grinste bei der Erinnerung. „Sie haben immer gesagt, es sei meine Schuld gewesen, dass ihr Abischnitt eine halbe Note besser ausgefallen war, als erwartet, da sie ohne mich nie und nimmer so viel für die Prüfungen gelernt hätten. Aber durch mein kontraproduktives Lernverhalten seien sie dazu regelrecht gezwungen worden.“
„Das finde ich sehr nett von deinen Freunden.“
Er lachte. „Ja, das war es.“ Linda, die zu Philipp hochschaute, konnte ein schwaches Blitzen in seinen Augen erkennen, bevor er sich zu ihr herunterbeugte und sie lange und innig küsste.
Als er wieder von ihr abließ, war er dran mit Fragen. „Was mich schon seit Beginn unserer Kreuzfahrt beschäftigt ... Du kamst mir am Anfang sehr zurückhaltend vor. Aber irgendwie habe ich immer geahnt, dass unter deiner kühlen Oberfläche ein brodelnder Vulkan lauert. Und so wie du küsst, habe ich mich nicht in dir getäuscht. Du bist ein sehr leidenschaftlicher Mensch. Jetzt würde ich gerne wissen, ob du irgendwelche geheimen Laster hast. Also, Alkohol trinkst du kaum, das weiß ich schon. Als pünktlich und zuverlässig schätze ich dich ebenfalls ein. Rauchen habe ich dich auch noch nie gesehen. Hast du irgendeine Leidenschaft, die dich erfüllt? Die du bedingungslos verfolgst. Die dich glücklich macht? Für die du dich von allem loseist, nur um dir ein paar Stunden davon zu gönnen?“
Linda überlegte. „Ich treibe gerne Sport, was ich als Ausgleich für meinen kopflastigen Beruf brauche. Aber das weißt du schon. Außerdem lese ich gerne.“
„Was liest du gerade?“
Linda schluckte, weil sie an die vielen erotisch prickelnden Szenen in diesem Buch dachte. Das kann ich dir nicht erzählen, sonst gibt es wieder massive Platzprobleme in deiner Hose . „Ich habe gerade einen Frauenroman fertiggelesen, den mir Betty und Anna als Urlaubslektüre geliehen haben. Eigentlich habe ich die Biografie von Frank Sinatra dabei.“ Als er lachte, meinte sie nur: „Ja, ich weiß, das passt zu unserem Lied.“
„Und sonst keine geheimen Leidenschaften? Belgische Schokolade? Duftende Schaumbäder nach Feierabend? Teure Schuhe?“, neckte er sie.
Plötzlich fiel ihr etwas ein, das genau seinen Anforderungen entsprach. Sie ließ alles dafür stehen und liegen. Sie fühlte sich unbeschwert und glücklich dabei. Sie verschob sogar Arzttermine, wenn es in dieselbe Zeit fiel.
Da sie plötzlich still war und leicht errötete, was Philipp zum Glück nicht sehen konnte, fragte er: „Dir ist etwas eingefallen?“ Sie nickte verlegen und legte peinlich berührt ihren Zeigefinger auf die Nasenspitze. „Und so wie du reagierst, handelt es sich offenbar wirklich um eine geheime Leidenschaft.“ Wieder nickte sie. „Und welche?“
„Eishockey.“
„Eishockey?!“ Er blickte sie so verdutzt an, dass sie lachen musste, als sie sich leicht aufrichtete.
„Ja, Eishockey. Ich weiß, das ist ungewöhnlich. Aber diese Sportart hat mich schon immer fasziniert und durch ihre Schnelligkeit gefesselt.“ Sie strahlte, als sie an die letzte Weltmeisterschaft im Mai dachte, während der sie stundenlang mitgefiebert hatte, wer ins Finale kommt.
„Mein Bruder war auch schon immer ein großer Eishockey-Fan. Weil wir beide sportinteressiert sind, lief bei uns der Sportsender stundenlang, wenn irgendwelche Meisterschaften oder die Olympiade übertragen wurden. Und wie bist du zum Fan geworden?“
„Ich habe mir zum siebzehnten Geburtstag einen kleinen Fernseher für mein Zimmer gewünscht. Meine Eltern waren zwar strikt dagegen, aber ich habe sie doch überzeugen können, ihn mir zu schenken.“ Sie hatte sich damals aus Protest gegen die erneute Bevormundung zu einer radikalen Reaktion entschlossen. Wenn sie mit siebzehn noch wie ein Baby in einem Laufstall gehalten wurde, würde sie die Stäbe im Notfall mit den
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