Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elementarteilchen kuessen besser

Elementarteilchen kuessen besser

Titel: Elementarteilchen kuessen besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Wall
Vom Netzwerk:
wenn sie diese Liebe oft hinter einer dummen Bemerkung und einem Schuss Sarkasmus verbirgt. Die verletzliche Betty, die es sich so selten erlaubt, eine starke Schulter zum Ausweinen anzunehmen.“ Er blickte ihr liebevoll in die Augen. „Diese Betty mag ich ganz besonders. Kannst du ihr das bitte ausrichten?“
    Betty wollte etwas erwidern. Irgendeinen dummen Spruch, wie sonst auch immer. Aber sie konnte nicht. Die schlagfertigen Worte, die ihr schon auf der Zunge lagen, blieben ihr im Halse stecken, während sie in Simons schöne graublaue Augen starrte.
    Er hatte ihr direkt in ihre Seele geblickt. Das hatte vor ihm noch kein Mann geschafft – geschweige denn nach so kurzer Zeit. Sie bekam immer noch kein Wort heraus. Das war auch völlig unnötig, da Simon ohne eine Antwort abzuwarten, mit seinen Lippen einen hingebungsvollen Kuss auf Bettys Mund hauchte, den sie nie vergessen würde und der so ganz anders war als all seine anderen vorher. In diesem Kuss lag so viel zärtliche Ernsthaftigkeit, dass sie wahnsinnige Angst bekam, sich aber gleichzeitig so sicher wie noch nie fühlte. Simons Bekenntnis hatte Bettys wohlgeordnete Welt ins Wanken gebracht, die bis zu den Grundmauern erschüttert worden war. Und als Betty die Augen wieder öffnete, hatte sie einen Kloß in der Kehle.
    „Das war, glaube ich, das schönste Kompliment, das ich je von einem Mann bekommen habe.“
    „Und es kam von Herzen.“ Ein kleines selbstgefälliges Lächeln stahl sich in Simons Mundwinkeln. Es freute ihn sehr, dass er Betty so beeindruckt hatte. Er hatte sich nämlich schon den Kopf zerbrochen, wie er ihr eröffnen konnte, dass er sie mochte, ohne dass es abgedroschen oder gar nichtssagend klang. Und dann waren die Worte ganz spontan auf die richtige Weise herausgekommen.
    Betty legte ihre Wange an Simons Hals und schwieg. Dieser begnügte sich einfach nur damit, sie in seinen Armen zu halten und diesen Augenblick abseits der lärmenden Badegäste zu genießen. Er wusste nicht, warum Betty so still geworden war, aber er würde einfach abwarten und genießen. Vielleicht brauchte sie einfach noch einen ruhigen Moment in seinen Armen.
    Doch als Betty zu sprechen begann, überraschte sie ihn damit, dass sie von ihrer Kindheit begann. „Ich möchte dir erzählen, warum ich so geworden bin, wie ich bin. Immer fröhlich drauf, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, nie zu ernsthaft ...“ Sie machte eine kurze Pause und küsste ihn fast schon entschuldigend auf seine Halsbeuge. Sie hatte das noch nie einem der Männer erzählt, mit denen sie zusammen war. Sie wusste auch nicht, ob es jetzt richtig war. Aber Simon war irgendwie anders. Und die Geschichte drängte aus ihr heraus. „Mein Vater hat einen sehr schwierigen Charakter. Normalerweise ist er sehr ruhig, geht zuverlässig seiner Arbeit nach und zeigt sich nach außen hin als fürsorglicher Ehemann und guter Nachbar. Aber es gibt Situationen, die ihn ausrasten lassen. Dann bricht sich sein ganzes cholerisches Temperament Bahn und walzt denjenigen platt, der gerade Pech hat, es abzubekommen. Als ich noch klein war, war das leider oft mein zwei Jahre älterer Bruder gewesen. Da dieser zwar nicht so hitzköpfig wie mein Vater, aber manchmal genauso stur war, gab es bei uns zuhause mindestens zweimal die Woche Mord und Totschlag – so kam mir das jedenfalls mit meinen fünf Jahren vor. Geschlagen hat uns unser Vater nie. Aber ich konnte das als kleines Kind nicht richtig einschätzen und hatte immer Angst, dass gleich jemand verletzt wurde, wenn Teller durch die Gegend flogen oder Stühle umgeworfen wurden. Wer garantierte mir denn, dass im nächsten Augenblick nicht der Kopf meines Bruders das Ziel war? Oder der meiner Mutter? Alles hatte immer so dramatisch ausgesehen ... Und so habe ich immer versucht, sobald ich die Gewitterwolken am Horizont spürte, meinen Vater bei Laune zu halten.“
    Betty machte eine kurze Pause, in der Simon flüsterte: „Das ist viel Verantwortung für so ein kleines Mädchen.“
    Betty fuhr fort, als hätte sie ihn nicht gehört. „Ich brachte ihn zum Lachen oder schmeichelte ihm oder zeigte ihm kleine Kunststücke, die ich mir spontan ausdachte. Mein Einfallsreichtum und meine Quirligkeit retteten uns damals vor so manchem Anfall. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich will mich nicht über meine Kindheit beklagen. Sie war meistens sehr glücklich und schön – und vorwiegend auch behütet. Aber eben nur vorwiegend. Und es gibt natürlich andere

Weitere Kostenlose Bücher