Elementarteilchen kuessen besser
beobachtete sie die anderen Gäste. An einem Tisch ging es besonders hoch her. „Und ich verstehe nicht, was mit Menschen passiert, wenn sie sich verkleiden. Irgendwie machen sich viele zum Affen, sobald sie nur ein Kostüm in die Finger bekommen.“
„Das klingt nicht so, als ob du die närrische Zeit besonders magst“, mutmaßte Philipp.
„Nein, tue ich auch nicht. Damit sind zu viele unschöne Erinnerungen verknüpft.“
„Zum Beispiel?“
Linda schwieg. Dann begann sie zu erzählen. „Ich erinnere mich an Kostüme, die ich tragen musste, die meine Mutter ganz besonders süß oder schön fand, meine Mitschüler aber nur lächerlich. Deshalb musste ich viel Hohn und Spott über mich ergehen lassen.“
„Was waren das für Kostüme?“
„In einem Jahr war ich mal ein Schlumpf.“
„Und das war so schlimm? Anna trägt heute doch auch so ein Kostüm – und sieht überaus reizend darin aus.“
„Ja, als Erwachsene ist das lustig und als Fünfjährige süß. Aber eine Elfjährige will nicht als Schlumpf in die Schule gehen, das kann ich dir versichern. Ich wollte ein cooles Cowgirl sein oder eine grässliche Hexe. Im Jahr darauf schoss meine Mutter den Vogel ab. Ich machte ihr danach solche Vorwürfe wie noch nie in meinem Leben. Von da an ließ sie mich meine Kostüme selbst wählen.“
„Was hat sie getan?“
„Meine Schule veranstaltete in dem Jahr zum ersten Mal eine wohltätige Veranstaltung im Rahmen eines Faschingsballs, zu dem auch die Eltern eingeladen waren. Meine Mutter kam auf die glorreiche Idee, mit mir im Partnerlook zu gehen. Sie hat von einer befreundeten Kollegin, die gut schneidern konnte, zwei wallende, weiße Kostüme für uns nähen lassen, die uns als griechische Göttinnen darstellten. Mit goldenem Haarband und Schillerlocken. Und da ich nicht wirklich beliebt in der Klasse war, war das ein gefundenes Fressen, über das sie sich wochenlang die Mäuler zerrissen. Nicht wirklich hilfreich war auch, dass ich damals mein Kostüm schon gut ausfüllte und der Schnitt all das, was da so neu heranwuchs, auch noch betonte.“
„Du warst sicher eine Augenweide für die Jungs in deiner Klasse ...“
Linda gab ein verächtliches Schnauben von sich. Dann fiel ihr noch etwas ein, das sie vergessen hatte zu fragen. „Du wolltest doch noch mit deinem größten Fan einen Cocktail trinken.“
„Ricardo.“
„Genau.“
„Ja, habe ich heute vor dem Abendessen gemacht, als du dich um dein Kostüm gekümmert hast. Ich war noch mal an Deck – und dort ist er mir über die Füße gestolpert.“
„Und, hast du dein Schirmchen noch oder ist es dir geklaut worden?“ Sie blinzelte ihn schalkhaft an.
Er grinste. „Nein, ich hab's noch. Ich habe vorsichtshalber einen Tee ohne Schirmchen bestellt. Ricardo hat sich jedenfalls gefreut wie ein kleines Kind, dass ich mit ihm was getrunken habe. Eigentlich ist er, glaube ich, ziemlich bedauernswert. Die ganze Zeit auf einem Schiff unterwegs. Keine Chance auf eine dauerhafte Beziehung. Er ist, glaube ich, ziemlich einsam. Weiß Gott nicht beneidenswert. Aber wir haben uns gut unterhalten und viel gelacht. Er hat noch versucht, mir seine Deutschkenntnisse zu präsentieren.“ Philipp musste bei der Erinnerung grinsen. „Aber die waren so grottenschlecht, dass ich ihn fast nicht verstanden habe.“
Das Lied endete und Linda sah zu ihrem Tisch. „Oh Gott, ich habe Anna völlig vergessen. Wir sollten mal sehen, wie es ihr geht ... Betty ist sicher mit Simon unterwegs und ich mit dir. Heute haben wir zwei uns gar nicht um sie kümmern können. Sie langweilt sich sicher fürchterlich und hat uns schon zehnmal verflucht.“
Philipp war sofort einverstanden und sie schlängelten sich zu ihrem Tisch. Doch Anna saß weder alleine da, noch langweilte sie sich. Zwei von Philipps Kollegen unterhielten sich angeregt mit ihr.
„Ah, sieht man euch auch mal wieder“, begrüßte sie die beiden lachend. „Setzt euch. Der Zenturio ist Jan und der bärtige Pirat Tim. Sie waren so nett, mir ein Glas Sekt vorbeizubringen. Und dann sind wir ins Schwafeln geraten.“
Während Anna sich den beiden wieder zuwandte, raunte Philipp Linda zu: „Anna ist in bester Gesellschaft. Die beiden sind glücklich verheiratet und wirklich nett. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Doch sie machte sich Sorgen, als sie sah, wer nun auf ihren Tisch zukam. Desirée.
Zehnter Tag – abends
Auf Partys hängst du an ihm dran wie eine Klette. 3/1
Desirée hatte sich
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