Elena - Ein Leben für Pferde
Forsthaus am Ufer des Sees, Licht leuchtete aus den Fenstern und spiegelte sich golden in der dunklen Wasseroberfläche. Qualm stieg aus dem Schornstein in die windstille, kalte Luft.
»Das gibt’s doch nicht!« Meine Freundin schüttelte den Kopf. »Die Polizei muss Hinweisen aus der Bevölkerung nachgehen, auch wenn sie anonym sind.«
»Da stehen Autos im Hof«, stellte ich mit Adleraugen fest. »Komm, wir müssen näher ran.«
Wir ritten auf das Forsthaus zu, blieben aber im Schutz der Bäume.
»Ich gucke jetzt nach, ob noch Pferde da sind«, sagte Melike entschlossen und sprang aus Sirius’ Sattel. Sie zog dem Pony die Zügel über den Kopf und reichte sie mir.
»Mach das lieber nicht!«, rief ich leise. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, aber Melike ließ sich nicht aufhalten. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich aus sicherer Entfernung, wie sie durch das Hoftor schlich und hinter dem Haus verschwand.
Es war totenstill im Wald. Hin und wieder knackte irgendwo ein Ast, in der Nähe schrie ein Käuzchen und ich schauderte. Oma sagte immer, dass jemand sterben würde, wenn man einen Käuzchenruf hörte. Fritzi scharrte mit dem Vorderhuf im trockenen Laub. Er mochte es nicht, lange irgendwo herumzustehen. Wieder schrie das Käuzchen, es klang unheimlich, wie »Komm mit! Komm mit!«.
Verdammt, wo blieb Melike nur? So lange konnte es wohl kaum dauern, einen Blick in die Scheune zu werfen! Ich starrte durch die Baumstämme hinüber zum Haus und glaubte nicht richtig zu sehen: Meine Freundin schlich gebückt über die Veranda und spähte durch eines der Fenster. War sie lebensmüde? Meine Unruhe übertrug sich auf mein Pferd, zu meinem Entsetzen wieherte es plötzlich. Im Wald war es so still, dass das Wiehern laut wie ein Fanfarenstoß hallte.
Als ich das nächste Mal zum Haus hinüberblickte, war Melike verschwunden, aber die Tür war aufgegangen und im hellen Lichtschein, der nach draußen fiel, erkannte ich den Waldschrat. Neben ihm stand ein anderer Mann und er hielt etwas in der Hand, das wie eine Pistole aussah. Jetzt hob er es hoch, und als ich schon sicher war, im nächsten Augenblick einen Schuss krachen zu hören, flammte ein Lichtstrahl auf. Er hatte eine Taschenlampe! Ich duckte mich im Sattel, aber das würde nicht viel nützen. Sirius’ weißes Fell leuchtete im Dämmerlicht wie Silber.
Schnelle Schritte näherten sich, ich erkannte Melike, die rannte, als ob der Teufel persönlich hinter ihr her wäre.
»Hier!«, zischte ich aus dem Unterholz.
Sekunden später riss sie mir Sirius’ Zügel aus der Hand und kletterte in den Sattel des Ponys. Der Lichtstrahl der Taschenlampe irrte über die Bäume. Unsere Pferde verursachten einen mörderischen Krach, als unter ihren Hufen trockene Zweige zerbrachen. Endlich hatten wir den Weg erreicht, trabten um die Wegbiegung und das Forsthaus war außer Sichtweite.
»Puh! Ich glaub, ich hab die hundert Meter in sieben Sekunden geschafft«, schnaufte Melike. »Mein Sportlehrer wäre stolz auf mich gewesen.«
»Jetzt erzähl schon!«, drängelte ich gespannt. »Was hast du gesehen?«
»Also, die Pferde waren noch da«, antwortete sie. »Ich hab sie mit dem Handy fotografiert – als Beweis.«
Wir parierten durch zum Schritt.
»Elena«, sagte Melike mit bebender Stimme, »du wirst nicht glauben, wer der Mann war, der beim Waldschrat in der Bude gehockt hat.« Sie machte eine dramatische Pause.
»Jetzt mach’s nicht so spannend.« Ich hielt es kaum noch aus.
»Friedrich Gottschalk!«
»Nein! Quatsch!« Ich schüttelte schockiert den Kopf. »Das kann nicht sein. Du musst dich verguckt haben.«
»Hab ich nicht«, beteuerte Melike. »Ich kenne ihn doch. Und es war sein Auto.«
Jeder in Steinau kannte Friedrich Gottschalk. Er war Bauunternehmer und stinkreich. Ihm gehörten zig Häuser in Steinau und Umgebung, und er war bekannt als großzügiger Sponsor sämtlicher Sportvereine. Auch bei unserem Sommerturnier spendete er immer den Geldpreis im Großen Preis am Sonntag.
»Aber der Gottschalk ist ein Freund von Opa«, entgegnete ich. »Der wird wohl kaum mit dem Waldschrat unter einer Decke stecken.«
»Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen.« Melike hob die Hand und spreizte drei Finger ab. »Ich schwöre es bei meinem Leben.«
Eine Weile ritten wir schweigend durch den düsteren Wald. Der Mond war aufgegangen und der Weg schimmerte hell zwischen den Bäumen.
Plötzlich horchte ich auf.
»Da kommt ein Auto!«, rief ich. »Die haben
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