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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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dementsprechend ganzheitlich zu behandeln, vorzugsweise ohne Chemie und Operationen.«
    Er machte eine Pause, fuhr sich mit der Hand durch sein kurz geschnittenes Haar.
    »Bei alldem spielen Anamnese und Diagnostik eine wichtige Rolle. Wo tut es weh, seit wann, was ist passiert, wo kommt der ursprüngliche Schmerz her? Woran kann es noch liegen, wenn ein Pferd lahmt, nicht mehr springen will, widersetzlich wird, nicht frisst? Das ist spannend und manchmal mühselig, denn ein Pferd kann mir nicht sagen, was mit ihm los ist.«
    Ich war fasziniert von dem, was er erzählte, aber vor allen Dingen, wie er es sagte. Er sprach mit mir wie mit einem Erwachsenen.
    »Die Schulmedizin verlässt sich auf Röntgen, Kernspin, Szintigrafien, Computertomografien, Blutanalysen. Was daraus nicht zu erkennen ist, wird einfach ignoriert und es wird munter drauflosgespritzt. Oft raten die Tierärzte den Leuten, wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind, ihre Pferde einschläfern zu lassen. Und dann komme ich ins Spiel. Ich habe schon viele Pferde wieder heilen können, aber dahinter steckt keine Magie, sondern ein Wissen, das ich mir über Jahre hinweg angeeignet habe.«
    Ich nickte wieder und fragte mich, auf was er hinauswollte. Genau in diesem Moment schlug er den Bogen.
    »Tja, Elena. Und dann begegnest du mir.« Er lächelte und legte den Kopf schief. »Auf den ersten Blick hast du gestern dasselbe gemacht wie der alte Sioux-Indianer in South Dakota.«
    Ganz unvermittelt sprang er auf und begann, in dem kleinen Zimmer hin und her zu gehen.
    »Unglaublich! Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, habe mir überlegt, ob du mir nicht vielleicht etwas vorgespielt hast, aber dann dachte ich mir: Warum? Warum solltest du das tun?«
    Lajos blieb stehen und blickte mich an. »Ich hab da draußen ein Pferd im Stall stehen, mit dem ich einfach nicht weiterkomme. Die Tierärzte haben es längst aufgegeben und jetzt müsste eigentlich auch ich den Besitzer anrufen und sagen, dass ich nicht weiß, was seinem Pferd fehlt.«
    Er zögerte, kratzte sich am Kopf und holte tief Luft.
    »Würdest du dir das Pferd wohl mal ansehen, Elena?«
    Ich saß wie festgenagelt auf dem Stuhl und konnte nicht verhindern, dass mir die Kinnlade hinuntersackte. Lajos fragte mich allen Ernstes, ob ich ihm bei der Behandlung eines Pferdes helfen könnte!
    »Na… natürlich«, stotterte ich. »Aber … aber ich … ich kann doch gar nichts … ich meine … ich …« Ich verstummte.
    »Schaden kann es ja nichts«, erwiderte Lajos. »Oder?«
    Nein, schaden konnte es nichts. Ich konnte mich vielleicht lächerlich machen, aber daran war ich gewöhnt.
     
    Die Fuchsstute spitzte die Ohren, als wir wenig später ihre Box betraten.
    »Das ist Blue Fire Lady«, stellte Lajos mir die Stute vor. Mehr sagte er nicht.
    »Was soll ich jetzt machen?«, fragte ich unsicher.
    »Das, was du gestern beim Pferd von deiner Freundin gemacht hast«, erwiderte Lajos.
    Ah ja.
    »Und was … was hat sie?«
    »Keine Ahnung, wie gesagt.« Er zuckte mit den Schultern, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Wand. Blue Fire Lady war eine Fuchsstute ohne Abzeichen, etwa eins siebzig hoch. Sie betrachtete mich neugierig und kam zu mir.
    »Na du«, sagte ich leise, hob die Hand und berührte ihre Nase.
    Sie schnaubte und schien – genau wie Lajos – darauf zu warten, was ich als Nächstes tun würde. Ich fand es ein bisschen unfair, dass er mir so gar nichts über das Pferd gesagt hatte. Wenn der Tierarzt zu einem unserer Pferde kam, erzählte Papa ihm immer alles Mögliche: seit wann das Problem aufgetreten war, wie, wo, wann, warum. Ich wusste nichts. Wollte Lajos mich auf die Probe stellen? Ach, es war auch egal.
    Ich legte meine Hände an den Hals der Stute und konzentrierte mich. Meine Hände glitten über das seidige, kupferfarbene Fell, über den Widerrist, den Rücken, die Kruppe, die Beine bis hinab zu den Hufen. Ich fuhr unter ihrem Bauch entlang, von der Gurtlage bis zum Euter – nichts. Dann ging ich auf die andere Seite und machte dort dasselbe. Zum Schluss berührte ich den Kopf der Stute. Zuerst das Maul, dann strich ich sanft mit den Händen über beide Seiten des Kopfes, bis hoch über die Augen, die Stirn, umfasste ihre Ohren und ließ meine Hände über die Ganaschen wieder hinabgleiten. Und plötzlich durchzuckte es mich wie ein Stromschlag.
    »Au!«, stieß ich hervor und machte einen Schritt zurück.
    »Was ist?« Lajos stand sofort neben mir und schien

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