Elenium-Triologie
er lautlos.
Dann folgte er mit leisen Schritten dem Korridor weiter zum Eingang der Krypta.
Die Krypta lag unter dem Dom. Am Kopfende der Steintreppe flackerte eine Talgkerze in einer vollgetropften Wandhalterung. Behutsam, um kein Geräusch zu verursachen, brach Sperber die Kerze entzwei, zündete den in der Halterung zurückgebliebenen Teil mit seinem noch brennenden an, und stieg die Treppe im schwachen Schein seiner halben Kerze hinunter.
Die Tür am Fußende war aus schwerer Bronze. Sperber schloß die Hand um den Knauf und drehte ganz langsam, bis er spürte, daß die Verriegelung aufsprang. Dann öffnete er die schwere Tür vorsichtig Zoll um Zoll. Das schwache Knarren der Angeln erschien ihm in der Stille unsagbar laut, aber Sperber wußte, daß es oben nicht mehr gehört werden konnte. Außerdem war Annias viel zu sehr in seinen persönlichen Gram vertieft, als daß er überhaupt etwas hören würde.
Die Krypta war ein riesiges, niedriges Gewölbe, kalt und modrig riechend. Der Schein von Sperbers Kerzenstück reichte nicht weit, und außerhalb dieses Lichtkreises lag alles in tiefster Schwärze. Die Strebepfeiler, die die Decke stützten, waren mit Spinnwebschleiern behangen, und dichte Schatten verbargen die Ecken.
Sperber drückte den Rücken gegen die Bronzetür und schloß sie ganz langsam. Trotzdem hallte das Knarren unheildrohend durch das Gewölbe.
Die Krypta reichte in undurchdringlicher Dunkelheit bis weit unter das Hauptschiff des Domes. Unter der Gewölbedecke und dem spinnwebbehangenen Strebewerk ruhten die ehemaligen Herrscher von Elenien in dichten Reihen, jeder in einem von der Zeit mehr oder weniger genarbten Steinsarkophag, dessen Deckel mit einem aus Blei gegossenen Abbild des Schlummernden versehen war. Die Gerechten lagen hier neben den Ungerechten, die Dummen neben den Weisen. Gleichmacher Tod hatte sie alle hierhergebracht. Die in Grüften üblichen Skulpturen schmückten die Steinwände und Ecken vieler der Sarkophage und trugen noch zusätzlich zu der trostlosen Atmosphäre der stillen Krypta bei.
Sperber schauderte. Die hitzige Begegnung von Blut, Fleisch und Knochen mit blankem scharfem Stahl war ihm wohlvertraut, nicht jedoch diese kalte, staubige Stille. Er wußte nicht so recht, wie er vorgehen sollte, da der Geist von Ritter Tanis ihm keine Einzelheiten mitgeteilt hatte. So stand er unsicher nahe der Bronzetür und wartete. Obwohl er wußte, wie töricht das war, umklammerte seine Rechte den Schwertgriff, doch eher zur Beruhigung denn im Glauben, die Waffe an seiner Seite könnte ihm an diesem bedrückenden Ort von Nutzen sein.
Zunächst erschien ihm der Laut nicht mehr als ein Hauch, eine leichte Bewegung der modrigen Luft. Dann erklang er wieder, etwas verständlicher diesmal. »Sperber«, seufzte es mit hohler Stimme.
Sperber hob seine tropfende Kerze und spähte in die Dunkelheit.
»Sperber!« erklang das Flüstern erneut.
»Ich bin hier.«
»Kommt näher!«
Das Flüstern ertönte aus der Reihe neuerer Sarkophage. Sperber ging darauf zu, und sein Schritt wurde sicherer. Schließlich hielt er vor dem vordersten Sarkophag an, in dem König Aldreas lag, der Vater von Königin Ehlana. Er blieb vor dem Bleiabbild des verstorbenen Monarchen stehen, des Mannes, dem zu dienen er geschworen, den er jedoch kaum hatte achten können. Der Künstler, der das Abbild geschaffen hatte, war bemüht gewesen, Aldreas' Züge majestätisch erscheinen zu lassen, doch in der leicht gequälten Miene und dem schlaffen Kinn war die Schwäche dennoch unverkennbar.
»Seid gegrüßt, Sperber.« Das Wispern kam nicht von der Skulptur auf dem Marmordeckel, sondern aus dem Innern des Sarkophags.
»Seid gegrüßt Aldreas«, sagte Sperber.
»Empfindet Ihr immer noch Feindseligkeit und Verachtung für mich, mein Streiter?«
Unzählige Kränkungen und Beleidigungen erwachten plötzlich in Sperbers Gedächtnis, die Erinnerung an zehn Jahre der Demütigung und Verunglimpfung durch diesen Mann, dessen Schatten jetzt aus der hohlen Enge seiner marmornen letzten Ruhestatt sprach. Doch was würde es nutzen, einen neuen Speer ins Herz eines Toten zu stoßen? Sperber beschloß, seinem König zu vergeben. »Das tat ich nie, Aldreas«, log er. »Ihr wart mein König. Alles andere hatte keine Bedeutung.«
»Ihr seid wahrhaftig gütig, Sperber.« Die hohle Stimme seufzte. »Und Eure Güte zerreißt mir mein totes Herz mehr, denn jeder Vorwurf es vermöchte.«
»Das tut mir leid, Aldreas.«
»Ich
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