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Elenium-Triologie

Elenium-Triologie

Titel: Elenium-Triologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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sich zu vergewissern, daß er auch wirklich noch alle Worte behalten hatte, ehe er sie leise auf styrisch aufsagte.
    Es war eine ziemlich lange Beschwörung, und bestimmte Einzelheiten waren dabei ganz genau zu beachten, damit sie gelingen konnte. Als er fertig war, hob er die Hand und setzte den Zauber frei.
    Die Gestalt, die am Ende der Straße erschien, war die einer Frau in samtenem Umhang, über dessen zurückgeschlagener Kapuze das lange blonde Haar den Rücken hinabwallte. Ihr Gesicht war von unbeschreiblichem Liebreiz. Mit verführerischer Anmut näherte sie sich dem Dom, und als sie die Freitreppe erreichte, blieb sie stehen und blickte zu den beiden nun hellwachen Kirchensoldaten hinauf. Sie redete nicht. Sprache hätte den Zauber nur unnötig kompliziert, und es war auch gar nicht notwenig, daß sie etwas sagte. Langsam löste sie die Spange ihres Umhangs und öffnete ihn. Darunter war sie nackt.
    Ganz deutlich konnte Sperber das plötzlich heisere Atmen der Wachen hören.
    Dann schwebte sie, mit einladenden Blicken über die Schulter, die Straße wieder zurück. Die beiden Soldaten starrten ihr nach, dann einander an und die Straße auf und ab, um sich zu vergewissern, daß niemand sie beobachtete. Sie lehnten ihre Piken an die Steinwand neben der Tür und rasten die Treppe hinunter.
    Die Frau war unter der flackernden Fackel an der Ecke stehengeblieben. Sie winkte den beiden Männern auffordernd, dann trat sie aus dem Lichtkreis und ging die Nebenstraße hinauf.
    Die Wachen stürmten ihr nach.
    Sperber hatte die Schatten der Gassenmündung verlassen, noch ehe die beiden Posten um die Ecke flitzten. In Sekundenschnelle überquerte er die Straße und rannte die Treppe hinauf, mit jedem Schritt zwei Stufen auf einmal nehmend; dann faßte er nach dem schweren Drücker des einen Türflügels und zog. Schon war er im Innern. Er lächelte, als er sich fragte, wie lange die beiden wohl nach der inzwischen verschwundenen Erscheinung suchen würden, die er erschaffen hatte.
    Im Innern war es ziemlich dunkel und kühl, und es roch nach Weihrauch und Kerzenwachs. Es brannten nur zwei hohe Kerzen, je eine an den Längsseiten des Altars, und der Luftzug, der Sperber in das Kirchenschiff gefolgt war, ließ sie für einen Augenblick unruhig flackern. Ihr Licht war nicht viel mehr als bewegte Pünktchen, die sich nur schwach in den Edelsteinen und dem Gold des Altarschmucks spiegelten.
    Sperber huschte angespannt und wachsam den Mittelgang entlang. Es war zwar spätnachts, aber trotzdem war es durchaus möglich, daß einer oder mehrere der vielen Kirchenherren, die in den zahlreichen Domgemächern untergebracht waren, noch nicht schliefen und gar herumwanderten. Sperber wollte seinen Besuch jedoch unbedingt geheimhalten und irgendwelche möglicherweise geräuschvollen Begegnungen vermeiden.
    Er kniete sich flüchtig vor den Altar, dann trat er durch die Ziergittertür, die vom Hauptschiff zu einem Nebengang des Altarraums führte. Voraus brannte schwaches, aber gleichmäßiges Licht. Sperber schlich dicht an der Wand entlang, bis er zu einem Türbogen kam, der mit dickem Samt behangen war. Vorsichtig zog er den purpurnen Vorhang einen Spalt zur Seite und spähte hindurch.
    Primas Annias, nicht in Satin, sondern in grober Mönchskutte, kniete vor einem kleinen steinernen Altar im Allerheiligsten. Sein ausgezehrtes Gesicht war in quälender Selbstverachtung verzerrt und er rang die Hände, als wolle er sich die Finger aus den Gelenken reißen. Tränen strömten über die eingefallenen Wangen, und sein Atem rasselte in der Kehle.
    Sperbers Gesicht verfinsterte sich, und seine Hand fuhr wie von selbst zum Schwertgriff. Die Soldaten am Domeingang waren eines gewesen – sie zu töten hätte keinen wirklichen Zweck erfüllt. Annias jedoch war etwas völlig anderes. Der Primas war allein. Mit einem Satz und einem raschen Stoß wäre Elenien ein für allemal von dieser Pest befreit.
    Einen Augenblick lang hing das Leben des Primas von Cimmura am seidenen Faden, als Sperber – zum erstenmal – daran dachte, einen Unbewaffneten vorsätzlich zu töten. Doch plötzlich vermeinte er eine helle, mädchenhafte Stimme zu hören und unbewegte graue Augen, von einer Fülle hellblonden Haares umgeben, vor sich zu sehen. Bedauernd ließ er den Samtvorhang wieder zufallen und ging, seiner Königin zu dienen, die sogar in ihrem Schlummer mit sanfter Hand nach ihn gegriffen hatte, um seine Seele zu retten. »Ein andermal, Annias!« versprach

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