Elenium-Triologie
ich vergangene Nacht flüchtig gesehen habe.«
»Könnt Ihr sie beschreiben?«
»Sie ist sehr groß und sehr dünn, aber sie hat offenbar einen Buckel. Einzelheiten konnte ich nicht erkennen, weil sie einen Kapuzenumhang trägt.« Er runzelte die Stirn. »Ich hatte den Eindruck, als schliefen die Kirchensoldaten beinahe. Gewöhnlich achten sie besser auf ihre Umgebung.«
»War noch etwas ungewöhnlich an dieser Gestalt, die Ihr gesehen habt?« fragte Sephrenia ernst.
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, von ihrem Gesicht ist ein fahlgrünes Glühen ausgegangen. Das ist mir auch gestern schon aufgefallen.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Ich glaube, wir sollten sofort von hier verschwinden, Sperber.«
»Die Soldaten wissen doch nicht, daß wir hier sind.«
»Aber sie werden es bald erfahren. Was Ihr mir da beschrieben habt, ist ein Sucher. Man setzt sie in Zemoch zur Jagd auf entflohene Sklaven ein. Was Ihr für einen Buckel gehalten habt, sind seine Flügel.«
»Flügel?« sagte Kalten skeptisch. »Sephrenia, kein Säugetier hat Flügel – außer einer Fledermaus.«
»Das ist auch kein Säugetier, Kalten«, entgegnete sie. »Es ähnelt am ehesten noch einem Insekt. Obwohl weder die eine noch die andere Bezeichnung auf die Kreaturen zutrifft, derer Azash sich bedient.«
»Ich glaube nicht, daß wir uns eines Insekts wegen große Sorgen machen müssen.«
»Dieser Kreatur wegen leider doch. Sie hat zwar so gut wie kein Gehirn, aber das spielt keine Rolle, weil sie von Azashs Geist erfüllt ist, der für sie denkt. Sie kann im Dunkeln und im Nebel sehr weit sehen, sie hat ungewöhnlich scharfe Ohren und einen erstaunlichen Geruchssinn. Sobald die Soldaten auch nur in Sichtweite von Olvens Trupp kommen, wird sie sofort erkennen, daß wir nicht unter den Rittern sind. Dann werden die Soldaten umkehren.«
»Soll das heißen, daß die Soldaten Befehle von einem Insekt entgegennehmen?« fragte Bevier ungläubig.
»Es bleibt ihnen gar nichts übrig. Sie haben keinen eigenen Willen mehr. Der Sucher beherrscht sie völlig.«
»Wie lange hält das an?«
»Solange sie leben – was gewöhnlich nicht sehr lange ist. Sobald er sie nicht mehr braucht, frißt er sie. Sperber, wir befinden uns in sehr großer Gefahr. Reiten wir rasch weiter.«
»Ihr habt Sephrenia gehört!« sagte Sperber grimmig. »Verschwinden wir von hier!«
Sie ritten im Kanter aus dem Gehölz und quer durch eine breite Wiese, in der braunweiß gescheckte Kühe in knietiefem Gras weideten. Ritter Ulath schloß zu Sperber auf. »Es geht mich ja eigentlich nichts an«, sagte der Genidianer mit den buschigen Brauen, »aber Ihr habt zwanzig Pandioner bei Euch gehabt. Warum habt Ihr nicht einfach umgedreht und habt diese Soldaten und ihren Käfer vernichtet?«
»Fünfzig tote Soldaten, die entlang der Straße liegen, würden Aufmerksamkeit erregen«, antwortete Sperber. »Und neue Gräber nicht viel weniger.«
»Hört sich einleuchtend an«, brummte Ulath. »In einem übervölkerten Land zu leben, hat seine besonderen Probleme, wie ich feststelle. In Thalesien würden Trolle und Oger mit den Toten aufgeräumt haben, bevor jemand vorbeikommt.«
Sperber schauderte. »Fressen sie tatsächlich Aas?« Er hielt über die Schulter Ausschau nach möglichen Verfolgern.
»Trolle und Oger? O ja – solange das Aas noch nicht in Verwesung übergeht. Ein fetter Kirchensoldat könnte eine Trollfamilie eine Woche lang satt machen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb es in Thalesien nicht sehr viele Kirchensoldaten oder ihre Gottesäcker gibt. Die Sache ist nur die, daß ich nicht gern lebende Feinde hinter mir zurücklasse. Diese Kirchensoldaten kehren vielleicht um und jagen uns, und wenn die Kreatur, die sie dabeihaben, so gefährlich ist, wie Sephrenia sagt, hätten wir sie lieber doch aus dem Weg räumen sollen, solange wir die Möglichkeit hatten.«
»Vielleicht habt Ihr recht«, gestand Sperber ihm zu, »aber jetzt ist es zu spät, fürchte ich. Olven ist längst außer Reichweite. Wir können nur versuchen, schneller als sie zu sein, und hoffen, daß ihre Pferde eher ermüden als unsere. Sobald sich wieder eine Gelegenheit ergibt, werde ich Sephrenia bitten, noch mehr über diesen Sucher zu erzählen. Ich habe so das Gefühl, sie hat mir nicht alles über ihn gesagt.«
»Gleich da vorn ist ein Gasthaus an der Straße«, rief Kalten, als der Abend sich über das sanfthügelige Land senkte. »Wollen wir es wagen?«
Sperber blickte Sephrenia
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