Elenium-Triologie
doch bewußt, daß du als Kunstmaler viel mehr verdienen kannst denn als Taschendieb?« sagte sie nachdrücklich. Er blinzelte; dann kniff er überlegend die Augen zusammen.
»Gut, jetzt Ihr, Tynian«, befahl Sephrenia dem Deiraner.
Nachdem jeder ein Spiegelbild von sich geschaffen hatte, führte sie die Männer zu einer Schießscharte, durch die man auf den Burghof blicken konnte. »Wir lassen das große Trugbild lieber dort unten entstehen«, sagte sie. »Hier oben würde es etwas zu eng werden.«
Sie brauchten eine Stunde, die Illusion einer großen Schar bewaffneter und berittener Männer unten auf dem Hof zu erschaffen. Danach nahm Sephrenia sich Talens Zeichenblock vor und verlieh jeder Gestalt ein Gesicht. Nach einer weitausholenden Armbewegung schlossen sich die Abbilder der Ordensritter dem großen Trugbild an.
»Sie rühren sich nicht«, stellte Kurik fest.
»Darum kümmern Flöte und ich uns«, beruhigte Sephrenia ihn. »Ihr, meine Herren Ritter, konzentriert euch darauf, daß die Truggestalten sich nicht auflösen. Ihr müßt sie zusammenhalten, bis sie den Wald dort drüben erreichen.«
Sperber schwitzte bereits. Einen Zauber aufzubauen und dann freizugeben, war eine Sache, ihn festzuhalten, eine andere. Dabei wurde ihm bewußt, welche Anstrengung Sephrenia auf sich nahm.
Inzwischen war es früher Nachmittag. Sephrenia blickte noch einmal durch eine Schießscharte auf Graf Gerrichs Truppen. »Gut«, sagte sie. »Wir sind soweit. Gebt den Männern an den Katapulten das Signal, Baron.«
Alstrom holte einen roten Stoffstreifen aus seinem Schwertgürtel und schwenkte ihn durch eine Schießscharte. Die Katapulte unten begannen ihre brennenden Geschosse über die Mauer mitten unter die Belagerer zu schleudern, und andere deckten die Schiffe ein. Selbst aus dieser Entfernung konnte Sperber hören, wie die dichte Wolke lavendelfarbenen Rauches, die von den Kugeln aus Pech, Naphtha und Sephrenias Pulver aufstieg, die Soldaten zum Husten und Würgen brachte.
Der Rauch mit dem Glühwürmchenglitzern wallte über das Feld vor der Burg; dann hüllte er den Hügel ein, auf dem Gerrich, Adus und der Sucher standen. Ein tierisches Kreischen durchschnitt die Luft; dann tauchte der schwarzvermummte Sucher, der sein Pferd erbarmungslos antrieb, aus dem Rauch auf. Er saß schwankend im Sattel und hielt die Kapuze mit einer bleichen Insektenschere vor dem Gesicht zusammen. Die Soldaten, welche die Straße zur Burg versperrt hatten, taumelten hustend und würgend aus den Rauchschwaden hervor.
»Und jetzt, Baron«, wandte Sephrenia sich wieder an Alstrom, »laßt die Zugbrücke senken.«
Erneut gab Alstrom ein Signal, diesmal mit einem grünen Stoffstreifen. Einen Augenblick später donnerte die Zugbrücke hinunter.
»Nun bist du an der Reihe, Flöte«, sagte Sephrenia und begann eine rasche Folge styrischer Worte zu sprechen, während die Kleine die Syrinx an die Lippen setzte.
Die Masse der Truggestalten unten auf dem Burghof, die bisher reglos dagestanden hatte, erwachte scheinbar zum Leben. Im Galopp ritt sie durch das Tor und stürmte geradewegs in den Rauch hinein. Sephrenia fuhr mit der Hand über die Schüssel voll Wasser, die Berit ihr auf den Turm gebracht hatte, und blickte gespannt auf die Oberfläche. »Haltet die Trugbilder fest, meine Herren«, mahnte sie. »Sie dürfen sich nicht auflösen!«
Ein paar von Gerrichs Soldaten, die dem Rauch entkommen waren, standen hustend, sich übergebend und die Augen reibend auf dem Dammweg, der von der Burg wegführte. Die Scheinarmee ritt mitten durch sie hindurch. Schreiend flohen die Soldaten.
»Nun warten wir ab«, sagte Sephrenia. »Es wird ein paar Minuten dauern, bis Gerrich bewußt wird, was scheinbar vor sich geht.«
Überraschte Stimmen waren von unten zu hören, dann gebrüllte Befehle.
»Ein bißchen schneller, Flöte«, sagte Sephrenia ruhig. »Wir möchten doch nicht, daß Gerrich unser Trugbild einholt. Es würde ihm zu denken geben, wenn sein Schwert den vermeintlichen Baron Alstrom wirkungslos durchbohrt.«
Alstrom starrte Sephrenia ehrfurchtsvoll an. »Das hätte ich nicht für möglich gehalten, Erhabene!« Seine Stimme zitterte leicht.
»Es ist recht gut gelungen, nicht wahr? Ich war mir nicht sicher, ob ich es wirklich schaffen kann.«
»Wollt Ihr damit sagen…«
»Daß ich es noch nie zuvor versucht habe. Aber probieren geht über studieren, nicht wahr?«
Unten auf dem Feld stürmten Gerrichs Soldaten zu ihren Pferden. Ihre
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