Elenium-Triologie
halten.«
Ulath trat vor und sagte etwas in einer seltsam rauhen, kehligen Sprache.
»Altthalesisch«, erklärte Sephrenia leise. »Gemeine Soldaten an der Seite König Saraks dürften diese Sprache damals benutzt haben.«
Die grauenvolle Erscheinung antwortete stockend und mit schrecklicher Stimme. Dann deutete sie ruckhaft mit knochiger Hand.
»Laßt ihn zurückkehren, Tynian«, sagte Ulath. »Ich habe erfahren, was wir wissen müssen.«
Tynians Gesicht war grau und seine Hände zitterten. Er rief zwei styrische Worte, und die Erscheinung sank in die Erde zurück.
»Er wußte nicht viel«, sagte Ulath, »aber er konnte auf die Stelle deuten, wo ein Graf begraben liegt. Der Graf gehörte zum Hof, und wenn einer der Toten hier weiß, wo der König beerdigt ist, dann er. Es ist gleich da drüben.«
»Laßt mich erst verschnaufen«, bat Tynian.
»Ist es wirklich so anstrengend?«
»Ihr habt ja keine Ahnung, mein Freund.«
Sie warteten, während Tynian heftig und mit gequältem Gesichtsausdruck atmete. Nach einer kurzen Weile wickelte er das Seil auf und straffte sich. »Also dann. Erwecken wir den Grafen.«
Ulath führte sie zu einer niedrigen Erhebung. »Ein Grabhügel«, erklärte er. »Es ist üblich, einen solchen Hügel über der letzten Ruhestätte eines hohen Herrn zu häufen.«
Tynian legte das Seil auf dem Hügel im gleichen Muster aus wie zuvor; dann sprach er die Beschwörungsformel und klatschte wieder einmal in die Hände.
Die Erscheinung, die sich aus dem Grabhügel erhob, war nicht so grauenhaft verstümmelt wie die erste. Sie trug die traditionelle thalesische Kettenrüstung und auf dem Kopf einen gehörnten Helm. »Wer seid Ihr, daß Ihr wagt, meinen Schlaf zu stören?« fragte er Tynian ergrimmt.
»Er hat Euch auf mein Drängen ans Tageslicht geholt, Euer Gnaden«, sagte Ulath rasch. »Ich bin von Eurer Rasse und möchte mit Euch sprechen.«
»So sprecht denn rasch. Es zürnt mich, daß Ihr mich geweckt habt.«
»Wir suchen die letzte Ruhestätte Seiner Majestät König Saraks«, erklärte Ulath. »Würdet Ihr die Güte haben, uns zu sagen, wo wir sie finden können?«
»Seine Majestät ruht nicht auf diesem Schlachtfeld«, antwortete der Erweckte.
Sperber stöhnte.
»Wißt Ihr denn, wo er ruht?« fragte Ulath drängend.
»Seine Majestät verließ seine Residenz in Emsat, nachdem er Kunde erhalten hatte, daß Othas Horden im Westen eingefallen waren«, erwiderte der Geist. »Er nahm als Gefolge nur einige Vasallen mit sich. Wir übrigen blieben, um die Streitkräfte zusammenzustellen, und sollten ihm damit folgen. Als wir hier angelangten, war Seine Majestät nirgendwo zu finden. Keiner hier wußte, was ihm zugestoßen ist. So sucht denn anderswo.«
»Eine letzte Frage noch, Euer Gnaden«, bat Ulath. »Wißt Ihr vielleicht, welchen Weg Seine Majestät zu nehmen beabsichtigte, um hierher zu kommen?«
»Er segelte zur Nordküste, Herr Ritter. Niemand weiß, wo das Schiff anlegte und Seine Majestät von Bord ging. Sucht in Pelosien oder in Deira, und laßt mich in Frieden ruhen.«
»Unseren ergebensten Dank, Euer Gnaden.« Ulath verbeugte sich höfisch.
»Euer Dank bedeutet mir nichts«, entgegnete der Geist gleichgültig.
»Laßt ihn zurückkehren«, bat Ulath düster.
Tynian gab den Geist frei, während die anderen einander bedrückt anblickten.
9
Ulath stapfte zu Tynian hinüber, der auf dem nassen Boden saß und den Kopf auf die Hände stützte.
»Fühlt Ihr Euch nicht wohl?« erkundigte er sich besorgt. Sperber war längst aufgefallen, daß der hünenhafte, scheinbar grimmige Thalesier erstaunlich sanft und fürsorglich gegenüber seinen Gefährten war.
»Ich bin nur ein wenig müde, weiter nichts«, antwortete Tynian erschöpft.
»Ihr könnt das nicht lange durchhalten«, warnte Ulath.
»Eine Weile schaffe ich es schon noch.«
»Lehrt mich die Beschwörungsformel«, bat Ulath. »Ich nehme es mit den Besten auf, den Lebenden wie den Toten.«
Tynian lächelte schwach. »Darauf würde ich wetten, mein Freund. Seid Ihr je im Kampf besiegt worden?«
»Nicht seit ich sieben war«, antwortete Ulath bescheiden. »Damals habe ich den Kopf meines älteren Bruders in den hölzernen Schöpfkübel an unserem Brunnen gerammt. Mein Vater brauchte zwei Stunden, ihn wieder herauszukriegen. Meines Bruders Ohren waren festgeklemmt. Er hatte schrecklich große Ohren. Ich vermisse ihn. Er hat gegen einen Oger gekämpft und war leider nur zweiter Sieger.« Der Hüne blickte
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