Elenium-Triologie
ganzen Heer vor Eure Burg ziehen. Ich kann leider nicht bleiben, um sie alle zu heilen. Unsere Mission ist viel zu wichtig und erlaubt eine solche Verzögerung nicht.«
»Dann lasse ich am besten sofort Söldner kommen«, beschloß der Graf. »An den Mitteln dafür mangelt es mir nicht. Und ich werde das Burgtor verschließen. Falls nötig, töte ich meine Schwester, um einer Flucht vorzubeugen.«
»So drastische Maßnahmen werdet Ihr vielleicht nicht ergreifen müssen, Euer Gnaden«, warf Sperber ein, der sich an etwas erinnerte, das Sephrenia im Keller gesagt hatte. »Wie wär's, wenn wir uns diesen Turm anschauen?«
»Ihr habt einen Plan, Ritter Sperber?«
»Ich möchte keine Hoffnungen wecken, ehe ich mir den Turm angesehen habe.«
Der Graf führte sie auf den Burghof. Das Gewitter war weitergezogen. Blitze zuckten nun am östlichen Horizont, und der strömende Regen kam in unregelmäßigen Schauern, die auf die glänzenden Steine des Hofes trommelten.
»Der dort ist es, Ritter Sperber.« Der Graf deutete auf die Südostecke der Burg.
Sperber nahm eine Fackel neben dem Eingang und überquerte den nassen Burghof. Der Turm war rund und fest gebaut, etwa zwanzig Fuß hoch und fünfzehn im Durchmesser. Eine steinerne Treppe wand sich halb um ihn herum bis zu einer verriegelten und mit einer Kette gesicherten Tür im Obergeschoß des Turms. Die Fenster waren kaum mehr als Schlitze. Am Fuß des Turms befand sich ebenfalls eine Tür. Sie war unverschlossen. Sperber öffnete sie. Sie führte zu einem Raum, der offenbar als Lager diente. Kisten und Säcke waren an den Wänden gestapelt. Doch der Raum war staubig und machte nicht den Eindruck, als würde er noch benutzt. Im Gegensatz zum Turm war er jedoch nicht rund, sondern nahm nur die Fläche eines Halbkreises ein. Strebepfeiler hielten den Steinboden des oberen Stockwerks. Sperber nickte zufrieden und kehrte ins Freie zurück. »Was befindet sich hinter der Wand dieses Lagerraums, Euer Gnaden?« fragte er den Grafen.
»Eine hölzerne Treppe, die von der Küche emporführt, Ritter Sperber. Zu Zeiten, da der Turm verteidigt werden mußte, konnten die Köche die Männer dort oben mit Essen und Trinken versorgen. Occuda benutzt die Treppe jetzt, wenn er meiner Schwester zu essen bringt.«
»Wissen die Diener, die Ihr davongejagt habt, von dieser Treppe?«
»Nein. Nur die Köche waren eingeweiht, und sie waren unter jenen, die Occuda töten mußte.«
»Sehr gut. Befindet sich am Kopfende dieser Treppe eine Tür?«
»Nein. Lediglich ein Schlitz, durch den man das Essen reichen kann.«
»Noch besser. Die Komteß war zwar sündhaft und eitel und hat viel Schuld auf sich geladen, aber ich glaube nicht, daß einer von uns sie des Hungertodes sterben lassen möchte.« Er ließ den Blick über die anderen schweifen. »Meine Herren«, sagte er, »wir werden ein neues Handwerk lernen.«
»Ich fürchte, ich verstehe Euch nicht ganz, Sperber«, gestand Tynian.
»Wir werden uns als Maurer betätigen. Kurik, verstehst du dich darauf, Ziegel und Steine zusammenzufügen?«
»Aber natürlich, Sperber«, antwortete Kurik gereizt. »Das solltest du eigentlich wissen!«
»Gut. Dann bist du unser Vorarbeiter. Meine Herren, was ich jetzt vorschlage, wird euch wahrscheinlich entsetzen, aber ich glaube nicht, daß wir eine andere Wahl haben.« Er blickte Sephrenia an. »Falls Bellina je aus diesem Turm herauskäme, würde sie sich wahrscheinlich nach Zemochern oder dem Sucher umsehen. Wären diese imstande, der Komteß die übernatürlichen Kräfte wiederzugeben?«
»O ja, durchaus.«
»Das dürfen wir nicht zulassen. Ich möchte nicht, daß dieser Kellerraum je wieder als Folterkammer benutzt wird!«
»Was schlagt Ihr vor, Ritter Sperber?« fragte der Graf.
»Wir werden die Tür am Kopfende der Außentreppe zumauern«, erklärte Sperber. »Dann reißen wir die Treppe ab und benutzen die Steine, um diese Tür am Fuß des Turms ebenfalls zu vermauern. Anschließend tarnen wir die Tür, die von der Küche zur Innentreppe des Turms führt. So kann Occuda der Komteß weiterhin alles Lebensnotwendige bringen. Aber falls es dem Minnesänger oder den ehemaligen Dienern je glücken sollte, in die Burg zu gelangen, werden sie nicht herausfinden, wie man zum Obergeschoß des Turms kommen kann. Komteß Bellina wird den Rest ihres Lebens in diesem Turmgemach verbringen.«
»Was Ihr da vorschlagt, Sperber, ist ziemlich schrecklich!« sagte Tynian.
»Möchtet Ihr sie lieber töten?«
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