Elenium-Triologie
erhob sich steif, seine Augen wirkten leer.
»Kurik«, bat sie, »Ihr und Occuda helft ihm. Paßt auf, daß er nicht fällt! Flöte, kehr du ins Bett zurück. Ich möchte nicht, daß du das siehst.«
Die Kleine nickte.
»Kommt mit mir, meine Herren«, befahl Sephrenia. »Uns bleibt nicht viel Zeit.«
»Was genau habt Ihr vor?« fragte Sperber, während er ihr den Korridor entlang folgte. Für so ein kleines Persönchen ging sie sehr schnell.
»Für Erklärungen ist keine Zeit«, erwiderte sie. »Wir brauchen des Grafen Erlaubnis, uns in den Keller zu begeben – und seine Anwesenheit, fürchte ich.«
»Keller?« fragte Sperber verwirrt.
»Stellt jetzt keine törichten Fragen, Sperber.« Sie hielt an und musterte ihn. »Habe ich nicht gesagt, Ihr sollt den Speer immer bei Euch tragen?« rügte sie. »Lauft in Eure Kammer und holt ihn.«
Hilflos warf er die Hände in die Luft und drehte sich um.
»Lauft, Sperber!« rief sie ihm nach.
Er holte die anderen wieder ein, als sie gerade die Tür zur Wendeltreppe erreichten, die zum tiefer gelegenen Saal in der Burgmitte führte. Graf Ghasek saß noch im flackernden Schein einer fast niedergebrannten Kerze über seinem Buch. Das Feuer schwelte nur noch, und der Wind, den das Unwetter mit sich gebracht hatte, heulte klagend im Kamin.
»Ihr verderbt Euch die Augen, Graf«, sagte Sephrenia. »Legt das Buch zur Seite. Wir haben Wichtiges zu tun.«
Er starrte sie erstaunt an.
»Ich muß Euch um einen Gefallen bitten, Graf.«
»Einen Gefallen? Selbstverständlich, meine Dame.«
»Sagt nicht so rasch zu, Graf Ghasek – nicht, ehe Ihr wißt, worum ich Euch bitte. Im Keller Eurer Burg ist eine Kammer. Ich muß mit Ritter Bevier dorthin und brauche Eure Begleitung. Wenn wir schnell genug sind, kann ich Bevier heilen und dieses Haus von dem Fluch befreien.«
Ghasek starrte Sperber völlig verwirrt an.
»Ich würde Euch raten zu tun, was sie sagt, Euer Gnaden, denn Ihr werdet es ja doch tun, und Ihr steht viel besser da, wenn Ihr Euch sogleich höflich einverstanden erklärt.«
»Ist sie öfter so?« fragte der Graf und erhob sich.
»O ja.«
»Die Zeit drängt, meine Herren.« Sephrenia tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden.
»So kommt denn«, forderte der Graf sie auf. Er führte sie die Treppe hinauf und in den mit Spinnweben behangenen Korridor. »Die Tür zum Keller ist dort drüben.« Er deutete in einen schmalen Seitengang und ging wieder voraus. Vor der Tür holte er einen großen, eisernen Schlüssel aus seinem Wams und schloß auf. »Wir brauchen Licht«, sagte er.
Kurik nahm eine Fackel aus ihrer Ringhalterung und reichte sie ihm.
Der Graf hielt die brennende Fackel vor sich und stieg eine lange, schmale Steintreppe in die Tiefe. Occuda und Kurik stützten den im Schlafwandelnden Bevier, damit er beim Hinuntersteigen nicht fiel.
Am Fuß der Treppe wandte der Graf sich nach links. »Einer meiner Vorfahren hielt sich für einen Kenner edlen Weines.« Er deutete auf staubige Fässer und Flaschen, die in Holzgestellen im Halbdunkel lagen. »Ich selbst bin kein so großer Weinliebhaber, deshalb komme ich selten hier herunter. Es war reiner Zufall, daß ich Occuda vor einiger Zeit hinunterschickte und er diese schreckliche Kammer entdeckte.«
»Das wird jetzt nicht sehr angenehm für Euch sein, Graf«, warnte Sephrenia ihn. »Vielleicht wollt Ihr lieber vor der Tür warten.«
»Nein, meine Dame«, entgegnete er. »Wenn Ihr es ertragt, kann ich es auch. Es ist jetzt nur noch ein gewöhnlicher Kellerraum. Was darinnen geschehen ist, gehört der Vergangenheit an.«
»Es ist die Vergangenheit, die ich zurückzuholen gedenke, Graf.«
Er blickte sie scharf an.
»Sephrenia ist eine Adeptin der Geheimnisse von Styrikum«, erklärte Sperber. »Sie vermag so etwas zu bewirken.«
»Ich habe von solchen Leuten gehört«, erinnerte der Graf sich. »Aber in Pelosien gibt es kaum Styriker, deshalb habe ich die Ausübung dieser Künste nie miterlebt.«
»Vielleicht wollt Ihr es auch gar nicht, Graf«, warnte sie ihn. »Um Bevier von seiner Besessenheit zu befreien, muß er das volle Ausmaß der Verruchtheit Eurer Schwester sehen. Eure Anwesenheit als Herr dieser Burg ist zwar erforderlich, aber es genügt, wenn Ihr direkt vor der Tür der Kammer stehenbleibt.«
»Nein. Mitzuerleben, was sich hier zugetragen hat, stärkt vielleicht meinen Entschluß. Wenn meine Schwester nicht im Turm gefangengehalten werden kann, wird mir möglicherweise nichts anderes
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