Elenium-Triologie
Bettlerpaar sein.«
Sperber zog den Gürtel ein wenig hoch und rückte das Schwert zurecht.
»Das werdet Ihr hierlassen müssen«, sagte Platime. »Ihr könnt einen Dolch unter dem Umhang verbergen, aber ein Blinder mit Breitschwert wäre wohl doch etwas zu auffällig.«
»Ich fürchte, Ihr habt recht.« Sperber nahm das Schwert ab und reichte es dem Feisten im orangenen Wams. »Verliert es nicht«, mahnte er. Dann begann er den unsicheren Gang eines Blinden zu üben und mit dem langen dünnen Stück auf den Boden zu tippen.
»Nicht schlecht«, lobte Platime nach einigen Minuten. »Ihr lernt schnell, Sperber. Das ist gut genug, um glaubwürdig zu erscheinen. Das Betteln kann Euch Talen unterwegs beibringen.«
Talen kam mit einer hölzernen Kiste. Sein linkes Bein sah nun auf groteske Weise verdreht aus, er stützte sich auf eine Krücke und hinkte. Seine auffallende Weste hatte er ausgezogen und trug nun ebenfalls Lumpen.
»Tut das nicht weh?« Sperber deutete mit dem Stock auf das Bein des Jungen.
»Nicht sehr. Man muß den Fuß nur auf der anderen Seite aufsetzen und das Knie abbiegen.«
»Es sieht sehr echt aus.«
»Natürlich. Ich habe auch viel Übung.«
»Seid ihr beide jetzt bereit?« fragte Platime.
»Ich schätze, so bereit man unter den gegebenen Umständen sein kann«, antwortete Sperber. »Ich fürchte nur, daß meine Bettelei nicht sehr überzeugend sein wird.«
»Talen kann Euch das Nötigste beibringen. So schwer ist es nicht. Viel Glück, Sperber.«
»Danke. Ich brauche es wahrscheinlich.«
Es war Vormittag, und es regnete immer noch, als Sperber und sein junger Führer die Kellertreppe hochstiegen und die schlammige Gasse entlang stapften. Sef stand wieder Wache in einem geschützten Hauseingang, schenkte den beiden jedoch keine Beachtung, als sie vorüberkamen.
Kaum erreichten sie die Straße, nahm Talen einen Zipfel von Sperbers Umhang und zog ihn daran hinter sich her. Sperber tastete sich voran, mit dem Stock auf das Kopfsteinpflaster tippend.
»Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu betteln«, erklärte der Junge, als sie ein kurzes Stück gegangen waren. »Manche machen es so, daß sie sich einfach irgendwohin setzen und die Schüssel vor sich stellen. Aber das bringt nicht viel ein – außer vor einer Kirche an einem Tag, wenn über Mildtätigkeit gepredigt wurde. Einige halten die Schüssel jedem vor die Nase, der vorübergeht. Auf diese Weise kriegt man mehr Münzen, doch es verärgert manche Leute so sehr, daß sie einem die Schüssel oder die Fäuste ins Gesicht schlagen. Ihr seid jedoch angeblich blind, also müssen wir es ein wenig anders angehen.«
»Muß ich was sagen?«
Talen nickte. »Schließlich müßt Ihr ja auf Euch aufmerksam machen. Es genügt für gewöhnlich, wenn Ihr sagt: ›Eine milde Gabe!‹ Für lange Reden ist sowieso keine Zeit, außerdem sprechen die Leute nicht gern mit Bettlern. Wenn jemand was geben will, möchte er es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Versucht trostlos zu klingen. Winseln wäre falsch, aber Ihr solltet versuchen, stockend zu reden – als wärt Ihr den Tränen nah.«
»Betteln ist eine regelrechte Kunst, wie mir scheint.«
Talen zuckte die Schultern. »Es ist so ähnlich, als wolle man was verkaufen, nur umgekehrt. Doch Ihr müßt es mit ein oder zwei Worten tun, also legt Euer Herz hinein. Habt Ihr ein paar Kupferstücke bei Euch?«
»Falls du sie mir nicht gestohlen hast, schon. Warum?«
»Wenn wir am Hurenhaus sind, müßt Ihr ein paar in die Schüssel legen, damit es so aussieht, als hättet Ihr schon eine Weile gebettelt.«
»Ich verstehe nicht so recht, was du vorhast?«
»Ihr wollt doch warten, bis dieser Krager herauskommt, nicht wahr? Wenn Ihr ihn selbst herausholen wollt, bekämt Ihr es wahrscheinlich mit den Rausschmeißern zu tun, die im Haus für Ordnung sorgen.«
Er musterte Sperber von oben bis unten. »Ihr würdet vielleicht mit ihnen fertig«, meinte er dann, »aber das macht zuviel Lärm, und dann könnte es sein, daß die Puffmutter die Wache ruft. Es ist schon besser, draußen zu warten.«
»Also gut, warten wir draußen.«
»Wir stellen uns vor die Tür und betteln, bis er herauskommt.« Der Junge machte eine Pause. »Werdet Ihr ihn umbringen? Und wenn, darf ich dabei zuschauen?«
»Nein. Ich will ihm nur ein paar Fragen stellen.«
»Oh.« Das klang ein wenig enttäuscht.
Es regnete jetzt stärker, und von Sperbers Umhang tropfte es seine nackten Beine hinunter.
Sie erreichten die
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