Elenium-Triologie
drinnen treffen, gäbe ich viel darum zu hören, worüber sie reden.«
»Dann geht doch hinein.«
»Was?«
»Es ist ein öffentliches Haus und auch Blinde brauchen Liebe. Nur fangt da drin keine Schlägerei an.« Talen schaute sich vorsichtig um. »Fragt nach Naween. Sie arbeitet nebenbei für Platime. Sagt ihr, daß er Euch schickt. Dann sorgt sie schon dafür, daß Ihr diesen Harparin belauschen könnt.«
»Beherrscht Platime denn die ganze Stadt?«
»Nur die Unterseite davon. Annias beherrscht die Oberseite.«
»Kommst du mit mir hinein?«
Talen schüttelte den Kopf. »Shanda hat eine etwas merkwürdige Auffassung von Sittlichkeit. Sie duldet keine Kinder im Haus – jedenfalls keine Knaben.«
»Shanda?«
»Die Puffmutter.«
»Hätte ich mir eigentlich denken sollen. Kragers Freundin heißt Shanda – eine sehr dünne Frau?«
Talen nickte. »Mit Essigmiene.«
»Ja, das ist sie.«
»Kennt sie Euch?«
»Ich bin ihr vor zwölf Jahren mal begegnet.«
»Die Augenbinde verbirgt den größten Teil Eures Gesichts, außerdem ist es schummerig im Haus. Ihr dürftet keine Schwierigkeiten haben, wenn Ihr Eure Stimme ein bißchen verstellt. Geht hinein. Ich bleibe hier und passe auf. Ich kenne jeden Wachmann und Spitzel von Cimmura vom Ansehen.«
»Gut.«
»Habt Ihr genug Geld für ein Mädchen? Ich kann Euch was leihen, wenn es nicht reicht. Shanda wird Euch zu keiner ihrer Damen vorlassen, ohne daß Ihr sie zuvor bezahlt.«
»Es dürfte reichen – außer du hast mich inzwischen ausgeplündert.«
»Traut Ihr mir so etwas zu, Herr Ritter?«
»Ja. Also, warte jetzt. Es könnte allerdings eine Weile dauern.«
»Amüsiert Euch gut. Naween soll sehr feurig sein, hab' ich gehört.«
Sperber antwortete nicht darauf. Er öffnete die rote Tür und trat in das Haus.
Die Eingangshalle war dämmerig und schwül von aufdringlich süßem, billigem Parfüm. Sperber spielte weiter den Blinden. Er schwang den Stock von Seite zu Seite und pochte an die Wände. »Hallo?« rief er mit piepsiger Stimme. »Ist jemand da?«
Die Tür am hinteren Ende der Halle öffnete sich und eine dünne Frau in gelbem Samtgewand kam hindurch. Sie hatte strähniges, schmutzigblondes Haar, eine mißbilligende Miene und Augen, die hart wie Achate wirkten. »Was willst du?« fragte sie scharf. »Hier darfst du nicht betteln!«
»Ich bin nicht zum Betteln gekommen«, versicherte ihr Sperber, »sondern zum Kaufen – vielmehr zum Ausleihen.«
»Hast du denn Geld?«
»Ja.«
»Laß sehen.«
Sperber langte unter seinen Umhang, holte ein paar Münzen hervor und zeigte sie ihr auf dem Handteller.
Die dünne Frau kniff verschlagen die Augen zusammen.
»Zieh es gar nicht erst in Erwägung«, warnte er sie.
»Du bist ja gar nicht blind«, sagte sie anklagend.
»Du merkst aber auch alles.«
»Und was willst du?« fragte sie.
»Ein Freund erzählte mir von Naween.«
»Ah, Naween. Sie ist in letzter Zeit sehr gefragt. Ich lasse sie rufen – sobald du bezahlt hast.«
»Wieviel?«
»Zehn Kupferstücke – oder eine silberne Halbkrone.«
Sperber gab ihr eine kleine Silbermünze, und Shanda verschwand durch die Tür. Einen Augenblick später kehrte sie mit einem vollbusigen braunhaarigen Mädchen von etwa zwanzig Jahren zurück.
»Das ist Naween«, sagte Shanda. »Ich wünsche euch viel Spaß.« Sie lächelte Sperber kurz und geziert an, dann schwand das Lächeln, und sie verließ die Eingangshalle.
»Du bist also gar nicht wirklich blind?« fragte Naween kokett. Sie trug ein fast durchsichtiges, leuchtend rotes Gewand und hatte Grübchen.
»Nein«, gab Sperber zu, »nicht wirklich.«
»Gut. Ich habe es noch nie mit einem Blinden gemacht, wüßte also nicht, was auf mich zukäme. Gehen wir hinauf, ja?« Sie führte ihn zu einer Treppe. »Möchtest du irgendwas Besonderes?« Sie lächelte ihn über die Schulter an.
»Momentan möchte ich eigentlich nur lauschen«, antwortete er.
»Lauschen? Worauf?«
»Platime schickt mich. Shanda hat hier einen Freund aufgenommen – einen Kerl namens Krager.«
»Ein unscheinbares Männchen, das schlecht sehen kann?«
»Genau. Ein Edelmann in grünem Samt kam gerade herein, und ich glaube, daß er und Krager sich unterhalten. Es würde mich sehr interessieren zu hören, was sie reden. Könntest du das möglich machen?« Er zog den Rupfenstreifen von den Augen.
»Dann willst du gar nicht wirklich…« Sie verzog die üppigen Lippen zum Schmollmund.
»Heute nicht, kleine Schwester«, antwortete er.
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