Elenium-Triologie
dem das primitive Idol aus getrocknetem Lehm hockte, das Otha vor nunmehr fast zweitausend Jahren entdeckt hatte.
» Das darfst du nicht! « Die Stimme klang wie das Quieken einer Ratte. » Ich bin ein Gott! Du bist nichts! Ein Insekt! Du bist nur Staub! «
»Vielleicht.« Sperber empfand tatsächlich Mitleid mit der lächerlichen kleinen Lehmfigur. Er ließ sein Schwert fallen und nahm Bhelliom fest in beide Hände. »Blaurose!« sagte er laut. »Ich bin Sperber-von-Elenien. Kraft dieser Ringe befehle ich Blaurose, dieses Abbild der Erde zurückzugeben, aus der es entstanden ist.« Beide Hände und die Saphirrose näherten sich dem Idol. »Du hast nach Bhelliom gegiert, Azash«, sagte er. »So nimm ihn denn und alles, was er dir bringt.« Dann berührte der Stein das mißgestaltete Idol. »Blaurose muß gehorchen! Jetzt! « Sperber schloß die Augen, und seine Muskeln verkrampften sich in Erwartung der alles vernichtenden Kraft.
Der ganze Tempel erzitterte, und Sperber verspürte ein plötzliches drückendes Gefühl von Schwere, als hätte die Luft das Gewicht von Stein. Die Flammen der Feuer in den großen Kohlenbecken sanken zusammen, und die winzigen Flämmchen flackerten schwach, als würde ein ungeheures Gewicht sie niederpressen.
Und dann barst die gigantische Kuppel des Tempels. Die sechseckigen Basaltblöcke wurden in die Höhe und nach allen Seiten gesprengt und flogen meilenweit. Mit einem Laut, den die Ohren kaum noch wahrzunehmen vermochten, schossen die Feuer empor, wurden zu titanischen Säulen aus blendenden Flammen, Säulen, die durch das klaffende Loch stießen, das einst die Kuppel gewesen war, und die gewitterschweren Wolken erhellten. Immer höher loderten diese leuchtenden Säulen, verbrannten die geballten Wolken, von Blitzen umzuckt, und stießen in die Dunkelheit zwischen den funkelnden Sternen.
Unerbittlich drückte Sperber die Saphirrose an Azashs Leib. Die Haut um sein Handgelenk prickelte, als die winzigen, kraftlosen Tentakel des Gottes es umschlangen, wie ein tödlich Verwundeter den Arm eines Gegners umklammern mochte, der gnadenlos die Schwertklinge in seinem Leib dreht. Die Stimme des Älteren Gottes Azash war ein schwaches Quieken, ein kraftloses Wimmern, dem eines verendenden kleinen Tieres gleich. Dann begann eine Veränderung in dem Lehmidol. Was immer ihm Form gegeben hatte, war nicht mehr, und mit einem seltsamen Seufzen zerfiel es zu einem Häufchen Staub.
Die titanischen Flammensäulen sanken allmählich in sich zusammen, und die Luft, die nun in die Tempelruine drang, war frisch und von winterlicher Kälte.
Sperber empfand keinerlei Triumphgefühl, als er sich aufrichtete. Er blickte auf die Saphirrose, die in seiner Hand glühte. Er konnte ihre Angst spüren und vage das Wimmern der in ihrem blauen Herzen eingeschlossenen Trollgötter hören.
Flöte war die Stufen hinuntergestolpert und lag nun weinend in Sephrenias Armen.
»Es ist vorüber, Blaurose«, wandte Sperber sich müde an Bhelliom. »Ruhe dich nun aus.« Er schob den Stein zurück in den Kettenbeutel und schloß ihn.
Schritte verzweifelt rennender Füße waren zu hören. Prinzessin Arissa und ihr Sohn flohen die Treppen der Onyxtribünen hinunter. So groß war ihre Angst, daß sie gar nicht aufeinander achteten. Lycheas war jünger als Arissa und flinker. Er ließ seine Mutter hinter sich zurück und rappelte sich immer wieder auf, wenn er in seiner kopflosen Flucht stolperte und fiel.
Mit steinerner Miene und seiner Streitaxt in der Hand erwartete Ulath ihn am Fuß der Treppe.
Lycheas schrie einmal auf, dann flog sein Kopf in einem weiten Bogen durch die Luft und prallte mit einem Laut wie eine vom Tisch fallende Melone auf den Onyxboden.
»Lycheas!« kreischte Arissa entsetzt, als die kopflose Leiche ihres Sohnes schlaff vor Ulaths Füße sank. Wie gelähmt starrte sie den hünenhaften Thalesier an, der nun die blutige Axt hob und die Stufen zu ihr hochstapfte. Ulath war nicht für halbe Sachen.
Arissa fummelte an der Schärpe um ihre Taille, zog ein winziges Fläschchen hervor und plagte sich, den Stöpsel herauszuziehen.
Ulath schritt unbeirrt heran.
Das Fläschchen war nun offen. Arissa hob den Kopf und leerte es. Sie erstarrte sogleich und stieß einen würgenden Laut aus. Dann stürzte sie zuckend auf den Tribünenboden. Ihr Gesicht verfärbte sich blau, und ihre Zunge quoll aus dem Mund.
»Ulath!« Sephrenia hielt den Thalesier zurück, der immer noch auf Arissa zuschritt. »Es ist nicht
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