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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben
Autoren: Mark Watson
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und nicken.
    Aber es ist viel einfacher, diese Dinge zu wissen, als sie zu beherzigen, und im Schlaf ist Xavier in der meistdurchlebten Erinnerung seines früheren Lebens gefangen.
    Es war auf einem Sommerfest bei Becs Eltern. Russell, groß und breitschultrig, stand in einem ausgeleierten T-Shirt am Grill. Bec, hochgewachsen und anmutig, in einem grau geblümten Vintage-Rock, spielte hier und da mit den Kindern, stapelte mit dem einen Backsteine und setzte ein anderes auf die Gartenmauer, damit es in den Nachbargarten sehen konnte.
    Russell beobachtete sie traurig.
    »Sie kann so gut mit Kindern. Das war schon immer so. Selbst als sie noch eins war.«
    Es stimmte: Schon als Dreizehnjährige spielten Bec und Matilda auf dem Schulhof unter Becs Leitung Kinderkrippe oder führten eine Pfadfinderinnengruppe an. Auf ihre majestätische Art schritt sie bei Kämpfen zwischen kaum Jüngeren ein, gab den verdutzten Angreifern einen Klaps und tröstete die Schwächeren. Seit sie Teenager waren, träumte sie davon, eine Familie zu gründen. In ihrem Umfeld, in dem es nur so wimmelte von zukünftigen Rockstars, Weltreisenden und passionierten Tagträumern, galt das als höchst unzeitgemäß, aber das traf auf viele von Becs Vorlieben zu: In der Schule erntete sie erstaunte Blicke, wenn sie zwischendurch Salami oder Rosinen naschte statt Schokolade, sie trug selbst im Hochsommer lange Röcke und machte Yoga. Chris hatte nie jemanden kennengelernt, der so genau wie sie wusste, was er wollte, und sich so wenig darum scherte, was der Rest der Welt von seinen Vorstellungen hielt.
    Russell trank einen kräftigen Schluck Bier.
    »Es würde mir einfach das Herz brechen, wenn wir keins kriegen könnten.«
    Chris tätschelte ihm den Rücken.
    »Klar kriegt ihr eins.«
    »Das geht jetzt schon drei verdammte Jahre so.«
    »Manchmal dauert es noch viel länger.«
    »Aber es ist halt – na ja, du weißt schon. Typisch ich mal wieder.« Russells Zunge schnippte ärgerlich über seine breiten Lippen.
    »Quatsch. Das ist reine Glückssache. Das hat nichts mit dir zu tun.«
    Chris schob die Erinnerung an einen Campingausflug im Sommer zuvor beiseite, als er und Matilda über die unbeholfenen Geräusche aus dem Nachbarzelt gewitzelt hatten.
    »Ich glaube, das wird heute Nacht nichts mehr«, hatte er geflüstert. »Sollen wir einfach eins machen und es ihnen geben?«
    Auch sie hatte gelacht: Sie waren immer noch kein offizielles Paar gewesen. Sie hatten so viele Witze darüber gemacht, dass Bec nicht schwanger wurde, aber erst jetzt wurde offensichtlich, dass es keineswegs ein Witz war.
    »Ich frag mich einfach, ob ich vielleicht was falsch mache.«
    »Was sollst du denn falsch machen? Ziehst du dir vielleicht aus Versehen ein Kondom über?«
    Russell sah auf den Boden.
    »Na ja, man hört ja immer, es – es erhöht die Chancen, wenn sie einen Orgasmus hat. Ich glaube, sie hat normalerweise keinen.«
    Chris wuschelte Russell durchs Haar.
    »Man hört so vieles. Alles Unsinn. Es passiert, wenn es passiert. Und es dauert bestimmt nicht mehr lange.«
    Er ging hinüber ans andere Ende des Gartens, wo Matilda mit einem Cocktailglas in der Hand in den Himmel schaute. Sie packte ihn am Ellbogen und zeigte nach oben.
    »Hey, guck mal.«
    Am Himmel, wolkenlos und fast schon bonbonblau, flog ein surrendes Flugzeug einen beherzten kleinen Bogen und zog eine Wattespur hinter sich her. In der glitzernden Luft über Melbourne hing der Buchstabe ›C‹.
    »Das wird dein Name!«, sagte Matilda und rüttelte ausgelassen an seinem Arm.
    Chris lachte.
    »Wie, nur weil da ein C steht, muss das Chris werden? Warum sollte denn jemand Chris in den Himmel schreiben?«
    »Warum sollte jemand irgendwas in den Himmel schreiben?«
    »Das wird halt irgendeine Werbung sein oder so.«
    »Mensch, du bist so unromantisch. Wollen wir wetten, dass es Chris heißt?«
    »Falls du es nicht selbst bestellt hast, wette ich, worum du willst.«
    »Okay.« Matilda schnappte seine Hand und schüttelte sie. »Wenn es Chris heißt, musst du tun, was ich sage, egal was. Und wenn nicht, tu ich, was du sagst.«
    Der Pilot zerschnitt das Blau in einer Horizontale und verband zwei senkrechte Linien zu einem Paar Rugby-Malstangen, und Matilda gurrte vor Vergnügen.
    » CH !«
    »Bist du sicher, dass das kein abgekartetes Spiel ist?«
    Matilda grinste.
    »Wo sollte ich denn das Geld hernehmen, um einen von diesen Freaks zu bezahlen? Wie kommt man überhaupt an so jemanden ran?«
    Hinter ihnen
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