Elf Zentimeter
trainieren.
»So teuer ist das gar nicht«, sagte er. »Ich kenn da einen Sprachlehrer. Ein guter Freund von mir. Für fünfzig Euro die Stunde bist du dabei.«
Das konnte ich mir im Moment nun wirklich nicht leisten. Aber die Arbeit mit dem Regisseur nahm ich begeistert auf. Ich fuhr zu den Proben jede Woche nach Wien.
Als ich den Text des Workaholic-Programms mit ihm neu bearbeitete, legte er die Stirn in Falten.
»Du hast ganz gute Ansätze«, sagte er. »Aber Kunst ist das noch lange keine.«
Jeden Satz wollte er umformulieren, jedes zweite Wort war ihm nicht recht, und nach einigen gröberen Auseinandersetzungen war ich nicht mehr so begeistert von ihm.
Ich fiel wieder in meine kleinen Depressionen zurück. Meine Gedanken kreisten bald wieder um meinen Schwanz. Wenn sich dieses Problem nicht mit Beharrlichkeit und Ausdauer lösen ließ, musste ich bei seiner Lösung neue Saiten aufziehen. Auf dem Weg zu den Proben mit meinem orangefarbenen Regisseur war mir schon mehrmals eine altmodische, verschlafene Apotheke aufgefallen. Ein paar Mal war ich dort, um im letzten Moment doch daran vorbeizugehen.
»Ich tue es irgendwie für dich, Fabian«, dachte ich, als ich schließlich eintrat.
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20
G uten Morgen. Ich bin Student. Ich studiere so ein Fach und da würde ich gerne etwas wissen.«
Es geht nicht so sehr darum, was man sagt. Es geht viel eher darum, welche Figur man dabei macht. Wer mit dem nötigen Maß an Souveränität auftritt, wird immer ernstgenommen. Trotzdem hatte ich gewartet, bis die Apotheke leer war. Meine Stimme klang ziemlich laut. Ich versuchte, sie zu dämpfen, was sie heiser klingen ließ.
»Guten Tag«, sagte die Apothekerin freundlich.
Zweifellos war ich nicht der einzige Kunde, der bei seiner Frage nach einem peinlichen Produkt Studien und Ähnliches vorgab. Als ich das erste Mal Kondome kaufte, hatte ich der Verkäuferin in der Drogerie auch versichert, dass ich sie als Luftballons verwenden wolle. Und als ich sie das zweite Mal in einem großen anonymen Drogeriemarkt kaufte, hatte ich den Einkaufskorb zuerst bis oben hin mit Putzmitteln, Zahnbürsten, Küchenschwämmen und Katzenfutter gefüllt, um die Kondompackung zu verbergen. Dabei besaß ich gar keine Katze. Ich schenkte das Futter dann dem Besitzer von Lilly. Auch jetzt machte mir das kleine Tarnmanöver trotz seiner Durchschaubarkeit das Leben leichter.
»Ich muss so eine Studie machen«, sagte ich. »Vielleicht können Sie mir helfen. Es geht um Penisverlängerungsmethoden.«
»Aha, und was wollen Sie wissen?«
»Ob es Medikamente gibt oder andere Produkte, Pumpen oder so, die man in einer Apotheke erwerben könnte.«
»Ich frage mal nach.«
Sie ging nach hinten, um sich mit einem Kollegen zu beraten. Er warf mir einen Blick zu. Der hatte nichts Abschätziges oder Amüsiertes.
Als hinter mir gleich zwei Mal die Tür aufging und neue Kunden hereinkamen, fühlte ich mich trotzdem umzingelt. Einfach zu gehen wäre eine gute Idee gewesen. Ich raffte mich nur nicht schnell genug dazu auf. Außerdem wollte ich nicht, dass sie hinter meinem Rücken dann doch lachten. Apotheker haben es schließlich mit jeder Art von menschlichen Problemen zu tun. Harnwegsentzündungen, Vaginaljucken, Dauererektion, Hämorrhoiden und so weiter. Apotheker unterscheiden vermutlich nur zwischen Menschen, die zu ihrem Problem stehen, und solchen, die es nicht tun. Peinlich ist nichts außer davonrennen.
»Lagernd haben wir leider nichts«, sagte die Apothekerin, als sie zurückkam. »Ich frage aber gerne beim Großhändler nach.«
Ihre Art war so natürlich, dass die Situation mit einem Mal gar nicht mehr so unangenehm war. Ich war auf jeden Fall dankbar dafür, dass sie die Worte »Penis« und »Verlängerung« nicht benützte. Ihr Kollege bediente inzwischen an einer zweiten Kassa die anderen Kunden.
Ich nickte.
Während sie wieder hinten war, las ich die Etiketten der Kräutertees durch. Es gab einen Tee für den Magen-Darm-Trakt, einen für die Gelenke, einen für gute Stimmung, einen für die Blase und einen für Prostatapflege, aber natürlich keinen zur Penisverlängerung. Das wäre mein Traum gewesen. Täglich drei Tassen Tee trinken und davon einen längeren Schwanz bekommen. Ich hätte nichts anderes mehr getrunken. Ich hätte darin gebadet. Aber das männliche Glied ist vermutlich zugleich die Grenze der Schul- sowie jeder anderen Art der Medizin. Man soll aber die Hoffnung nicht aufgeben. Bei Potenzproblemen schließlich
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