Elfenbann
Es ging ihr langsam besser. Tamani hatte sie geküsst ! Ohne ihre Erlaubnis. Schon wieder ! Sie wusste, dass sie wütend sein müsste, aber irgendwie drang der Ärger nicht durch den Schock ihrer neuen Entdeckungen.
»Wenn es dir hilft, es hat echt wehgetan«, gestand Tamani und zog ein komisches Gesicht.
»Tut mir leid. Immerhin hast du es diesmal nicht vor David getan«, sagte Laurel. »Aber du hättest es überhaupt nicht tun dürfen.«
Tamani nickte nur und ging schweigend aus ihrem Zimmer.
Laurel legte noch einmal die Hand auf den Mund und hing ihren Gedanken nach. Ausnahmsweise dachte sie jedoch nicht an Tamani, sondern an Zaubertränke, Pulver und Gifte, von denen sie seltsamerweise wusste, dass sie ihr eigentlich für immer verborgen sein sollten.
Dreizehn
A m Montag lagen Blumen in Laurels Schließfach. Keine langen Angeberrosen, sondern ein selbstgepflückter Strauß vom Wegesrand mit einer schmalen Schleife. Daran erkannte sie, dass sie von David waren. Er machte keine große Show aus seinen Geschenken, weil seiner Meinung nach das Gefühl im Mittelpunkt stehen sollte, und nicht er selbst.
Darum verblüffte der eifersüchtige besitzergreifende David sie ja auch so.
»Es tut mir leid«, sagte David und trat leise hinter sie.
Laurel senkte den Blick auf die Blumen, sagte jedoch nichts.
»Das war völlig daneben, ich bin leider ausgerastet.« Er lehnte sich an sein Schließfach und fuhr sich durch die Haare. »Ich finde es einfach blöd, dass er hier ist. Das habe ich direkt gedacht, aber ich wollte es für mich behalten, und dann kam eben alles auf einmal heraus.«
»Ich habe nichts Schlimmes getan«, sagte Laurel und mied seinen Blick, während sie die Bücher in ihr Schließfach legte.
»Ich weiß«, sagte David. »Das will ich doch die ganze Zeit sagen, aber anscheinend drücke ich mich nicht verständlich genug aus. Es ist nicht dein Problem, sondern
meins.« Jetzt sah er sie mit ernsten blauen Augen an. »Es macht die Sache nicht leichter, dass ich weiß, was er will. Er soll es aber nicht bekommen. Glaub mir«, sagte er und versuchte, die Spannung wegzulachen, »wenn du so eine coole Freundin hättest wie ich, würdest du bei der Vorstellung, sie zu verlieren, auch durchdrehen.«
»Ich hatte einen Freund, der so cool war wie deine Freundin«, sagte Laurel, ohne sich umzudrehen.
»Ich werde mich bessern«, sagte David und lehnte sich an sein Schließfach, um ihr ins Gesicht sehen zu können. »Versprochen.«
Laurel starrte auf ihr Schließfach, weil sie nicht zugeben wollte, dass sie sich genauso über sich selbst ärgerte wie über ihn. Sie wollte, dass David darauf vertraute, dass sie Tamani auf Abstand hielt. Doch David hatte allen Grund der Welt für sein Misstrauen gegenüber Tamani – und wie konnte sie von David verlangen, ihr zu vertrauen, wenn sie es selbst nicht tat?
»Ich hätte eher anrufen sollen«, sagte David und riss Laurel aus ihren trüben Gedanken.
»Ich hätte deine Email beantworten sollen«, gab Laurel zu. »Das wollte ich auch, aber irgendwie habe ich gekniffen.«
»Heißt das … es ist wieder gut mit uns?«, fragte David zaudernd.
Das war der richtige Moment … um ihm alles zu gestehen, auch, dass sie nicht besser war als er. Sie öffnete den Mund und …
»Hi, Laurel.«
Laurel und David drehten sich zu Tamani um, der seinen
morgendlichen Gruß entrichtete. Als Laurel David wieder ansah, war der Augenblick vorbei und sie brachte den Mut nicht mehr auf.
»Ja, es ist wieder gut«, sagte sie leise.
David seufzte schwer und nahm sie in den Arm. »Danke«, flüsterte er. »Es tut mir wirklich schrecklich leid.«
»Ich weiß«, sagte Laurel, von Schuldgefühlen gequält.
»Wir sind am Wochenende nicht zu den Prüfungsvorbereitungen gekommen. Wie wäre es irgendwann im Laufe dieser Woche?«, fragte er nach einer kurzen Pause.
Laurel seufzte und wünschte inständig, sie hätte sich nicht bereit erklärt, die Prüfung noch einmal abzulegen. »Können wir nicht für etwas anderes lernen? Ich weiß gar nicht, warum du das unbedingt machen willst. Du hast beim letzten Mal in jedem Fach über siebenhundert Punkte erreicht.«
»Stimmt, aber das ist ewig her. Ich glaube, ich würde jetzt besser abschneiden.« Er sah sie an. »Außerdem will ich dir helfen.«
Laurel zog einen Schmollmund. Sie ließ sich nicht gern daran erinnern, dass ihre Ergebnisse im vergangenen Frühling nicht die besten gewesen waren. Darum sollte sie sich ja auch diesmal besser
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