Elfenbann
wieder, warum sie so gerne mit David zusammen war. Er gehörte ihr – schon immer, wenn sie ehrlich mit sich selbst war – seit dem ersten Tag in der Schule. Und er war die Ruhe selbst, sogar im Angesicht so unglaublicher Dinge wie Blumen auf ihrem Rücken,
Orks, die einen ins Wasser warfen, und Elfenspionen. Jeder andere wäre schreiend davongelaufen. Und dann gleich weiter zur Presse. Allein das machte David zu dem ergebensten Menschen, dem sie je begegnet war.
Sie ließ ihre Finger zerstreut über seine Rippen wandern und hob das Gesicht, um ihre Stirn an seine Wange zu legen.
»Laurel?«
»Hmmm?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
»Ich will nur sagen – und lass mich ausreden, bevor du dich dazu äußerst –, dass du dich meiner Meinung nach wirklich für die Zulassungsprüfungen anstrengen und bei einigen Colleges bewerben solltest. Du hast in den letzten Monaten sowieso dauernd gelernt. Warum solltest du jetzt einfach hinwerfen?«
Er schwieg, Laurel auch.
»Es ist doch so«, fuhr er fort, »wenn du dich bewirbst, ja sogar, wenn sie dich nehmen, heißt das noch lange nicht, dass du hingehen musst. Aber wenn du deinen Abschluss machst und …« Als er zögerte, biss Laurel sich auf die Lippe, weil sie wusste, wie schwer es ihm fiel, das zu sagen. »Und wenn du dann Entscheidungen treffen musst, möchte ich nicht, dass du … dich jemals in der Falle fühlst. Es ist gut, wenn man die Wahl hat.«
Die Minuten vergingen, während Laurel darüber nachdachte. David hatte recht – auch wenn man sie annahm, sie musste nicht aufs College gehen. In ihrem Leben – und in ihren Gedanken – hatte sich in den letzten Jahren vieles verändert, und zwar oft zum Guten. »Einverstanden«, sagte sie leise. Ihr war natürlich klar, was David
meinte, wenn er sagte: »Es ist gut, wenn man die Wahl hat.« Eigentlich wollte er damit sagen: »Triff keine Entscheidung, die uns für immer voneinander trennt.« Das war seine Art, sie so lange wie möglich zu halten – indem er die Möglichkeit bis in alle Ewigkeit offenhielt.
Doch das war kein Fehler.
Vierzehn
S ie geht nie raus«, sagte Tamani auf halbem Weg zwischen Laurels und Yukis Häusern zu Aaron. »Sie macht Hausaufgaben, liest und sieht fern. Ich sehe überhaupt keine Anzeichen für eine Verschwörung.« Es war bereits vierzehn Tage her, seit sie entdeckt hatten, dass Yuki eine Elfe war, und nichts wies darauf hin, dass sie es überhaupt selbst wusste oder gar einen Masterplan für Laurels Untergang schmiedete.
»Alle Wachposten beschweren sich, wie langweilig es ist, sie zu beobachten«, erwiderte Aaron. »Und das ist kein Witz, es passiert rein gar nichts, ob verdächtig oder nicht.«
»Wir können sie trotzdem nicht abziehen«, sagte Tamani, »auch wenn es sich wie eine Verschwendung kostbarer Ressourcen anfühlt, nicht wahr?«
Aaron zog eine Augenbraue hoch. »So geht es mir seit einem halben Jahr«, sagte er trocken.
Tamani schluckte die böse Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag. Als unbeteiligter Beobachter hätte er sich wahrscheinlich ähnlich gefühlt, aber wenn man jemanden bewachte, den man liebte, war keine Anstrengung zu groß.
»Ich frage mich …« Doch er brach abrupt ab. Jemand
raste unter erheblichem Lärm durch den Wald auf sie zu. Aaron und Tamani flitzten jeweils hinter einen Baum, die Hände auf den Waffen, als auch schon zwei missgebildete Gestalten durch die Dunkelheit schwankten. Wie konnte das sein? Seit Monaten durchkämmten sie den Forst auf der Suche nach Orks und jetzt rannten sie beinahe in sie hinein? Mit seiner freien Hand gab er Aaron ein Signal.
Meiner stirbt. Deiner redet.
Aaron antwortete mit einem kurzen Nicken.
Als der erste Ork auf Armeslänge herangekommen war, trat Tamani hinter dem Baum hervor, zog blitzschnell das Messer und schlitzte dem Ork in einem langen Bogen den Rücken auf. Der Ork drehte sich um und holte mit einer knotigen Krallenhand aus – ein blindwütiger, reflexhafter Gegenangriff. Tamani wich dem Schlag geschickt aus und bohrte dann sein Messer kraftvoll bis zum Griff in das Auge des Orks. Noch eine letzte scharfe Drehung, und die Kreatur brach zusammen.
Nicht weit entfernt hatte Aaron dem anderen Ork so viele Schnittwunden an Armen und Beinen zugefügt, dass seine Bewegungen langsamer wurden. Es war nicht einfach, einen Ork zu verwunden – man sollte sie lieber gleich umbringen –, aber Tamani wollte Informationen aus ihm herausholen.
Glücklicherweise setzten
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