Elfenblick
und ließ ihn wieder fallen. Der Dunkelelf stieß wüste Drohungen aus und schrie, dann bohrte die Riesenechse ihm ihre Vorderzähne in den Körper, und augenblicklich verstummte er.
Mageli stand stocksteif, die Augen vor Schreck weit aufgerissen, und wagte kaum zu atmen. Auch Ondulas bewegte sich nicht. Würde die Echse nun über sie beide herfallen? Nein. Da war Mageli sich immer noch sicher.
Das Tier schnaufte noch einmal vernehmlich und wandte sich um, wobei es mit seinem langen Schwanz den letzten der verbliebenen Dunkelelfen, der bereits verletzt an der Wand gelehnt hatte, einfach umwarf. Mit geschlossenen Augen blieb der Mann liegen. Dann trottete die Echse in gemächlichem Tempo zurück in die Richtung, aus der die Wachmannschaft gekommen war.
»Diese Unfähigkeit! Ich bin umgeben von Unfähigkeit.«
Ferocius’ Atem drang pfeifend durch seine viel zu schmale Nase. »Wie konnte das passieren?«
Der Wächter, dessen Name Golmir war, kniete vor Ferocius auf dem Boden, die Stirn auf den glatten, glänzenden Stein gepresst, in dem sich die Angst spiegelte, die sein ohnehin hässliches Gesicht noch weiter verzerrte. Sein verletzter Arm schmerzte, doch die Blutung hatte der Fürst mit einer brennenden Paste gestillt. Dennoch fürchtete Golmir um sein Leben, das der Waran ihm wider Erwarten gelassen hatte. Ihm als einzigem aus seiner Truppe. War das Glück gewesen oder ein grausamer Streich des Schicksals? Denn nun musste er vor seinen Meister treten und ihm berichten, was ihnen auf ihrem Patrouillengang widerfahren war.
»Waren sie in der Überzahl? Trugen sie besondere Waffen bei sich? Oder waren etwa fähige Magier unter ihnen?«, hakte der Schattenfürst mit kalter Ruhe nach.
»Sie waren zu zweit.« Golmirs raue Stimme zitterte. »Ein Mann, der es gut verstand, mit seinen Schwertern umzugehen, doch der über keine außergewöhnlichen Fähigkeiten zu verfügen schien. Und eine unscheinbare junge Frau, ein Mädchen noch.«
»Hm. Ein mittelmäßiger Schwertkämpfer und ein unscheinbares Mädchen, sagst du. Und wie erklärst du dir dann euer Versagen?«
»Ich kann es mir nicht erklären, Meister. Plötzlich ging der Waran auf unsere Männer los, als wäre das Tier verrückt geworden, und metzelte einen nach dem anderen nieder. Ich konnte froh sein, dass ich schon zuvor verletzt worden war und abseits an der Wand lehnte, sonst hätte er mich sicher auch getötet.«
»Nun, dann solltest du wirklich froh sein«, entgegnete Ferocius eisig. »Und jetzt sieh mich an.«
»Nein, Meister, bitte«. Golmirs Stimme überschlug sich vor Angst. »Ich war noch nicht fertig. Es gibt noch etwas zu berichten …«
»Dann berichte es mir schnell.«
»Als ich wieder zu mir kam, waren die beiden Lichten gerade im Aufbruch. Und da bin ich ihnen gefolgt. Mit einem gewissen Abstand natürlich; ich denke, sie haben mich nicht bemerkt.«
»Soso. Und wohin bist du ihnen gefolgt?« Der Meister klang nicht mehr ganz so erbost. Eher interessiert. Beinahe ungeduldig. Golmir schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht würde er am Leben bleiben.
»Zu einer Höhle. Einer Höhle voller Wasser. Ein riesiger See mit einem enormen Wasserfall. Sie stiegen in ein kleines Boot, das aus dem Wasser auftauchte, und fuhren damit über den See auf den Wasserfall zu – und plötzlich waren sie verschwunden. Ich weiß nicht, wohin sie verschwunden sind, aber ich weiß, wo diese Höhle liegt. Ich könnte Euch hinführen, wenn Ihr es wünscht«, bot Golmir eifrig an.
»Eine Höhle voller Wasser, ein Wasserfall, interessant, interessant.« Der Fürst schien zu sich selbst zu sprechen, richtete dann aber wieder das Wort an seinen Wachmann. »Vielleicht bist du nicht so nutzlos, wie ich dachte. Los, steh auf und führe mich zu diesem Ort.«
Mageli hatte geglaubt, dass es nicht mehr vieles im Elfenreich gab, das sie in Erstaunen versetzen konnte. Doch als der tosende Wasserfall sich vor ihren Augen teilte und wie der Vorhang einer Bühne auseinanderglitt, konnte sie es kaum fassen. Seit sie in dieser Höhle mit dem riesigen See angelangt waren, passierten wunderliche Dinge.
Dabei war es ihr schon wie ein kleines Wunder erschienen, dass sie es überhaupt bis hierher geschafft hatten. Nachdem die Riesenechse verschwunden war, hatte Mageli einige Augenblicke gebraucht, um sich wieder zu fangen. Sie spürte ihr Herz noch wild bis in den Hals klopfen und musste ein Schluchzen unterdrücken, das ihr in die Kehle steigen wollte. Alles, was gerade geschehen war,
Weitere Kostenlose Bücher