Elfenblick
aber sehr hoch und oben wie eine Kuppel geformt. In dieser Kuppel befanden sich zahllose glitzernde Kristalle, sodass die Decke wirkte wie ein den Raum überspannendes Himmelszelt mit funkelnden Sternen. Genau in der Mitte des Raumes stand ein ebenfalls runder, ausladender Tisch, dessen steinerne Platte so blank poliert war, dass sich die glitzernden Sternbilder darin spiegelten. Rund um den ganzen Raum verlief eine in den rauen Stein der Wände gehauene breite Bank, auf der zahllose farbige Kissen für Bequemlichkeit sorgten.
Auf diese Bank steuerte Alawin nun zu und bedeutete Mageli, Ondulas darauf zu betten. Obgleich Mageli sich alle Mühe gab, den Freund sanft hinzulegen, stöhnte er auf. Sein Gesicht hatte mittlerweile eine aschgraue Farbe angenommen, die Augen hielt er geschlossen. Suchend tastete seine Hand durch die Luft und Mageli ergriff sie und drückte sie fest. Seine Haut fühlte sich klamm an.
Alawin war in der Zwischenzeit durch eine der drei bogenförmigen Türen in der Wand in einen anderen Raum verschwunden, nun kehrte sie mit einem Tiegel in der einen und einer Schale mit klarem Wasser und einem Tuch in der anderen Hand zurück.
»Lass mich das sehen.« Nicht grob, aber bestimmt schob sie Mageli zur Seite, zog ein Messer aus ihrem weiten Ärmel und schnitt mit einer einzigen schnellen Bewegung Ondulas’ Hosenbein der Länge nach auf.
»Zu dunkel hier«, murmelte sie ‒ im selben Moment leuchteten die Kristalle in der Decke hell auf und verwandelten das Sternenzelt in ein strahlendes Lichtermeer.
Wow! Elfenbeleuchtung mit Dimmerfunktion, dachte Mageli. Doch als ihr Blick auf Ondulas’ Bein fiel, zog sie scharf die Luft ein. Das sah böse aus! Kein gerader, sauberer Schnitt, sondern eine klaffende, ausgefranste Wunde quer über den Oberschenkel. Sie blutete noch immer, sah tief aus und irgendwie schmutzig, obwohl Mageli nicht hätte erklären können, wie Dreck hineingekommen sein sollte. Vielleicht war das eine der Tücken von Dunkelelfenwaffen.
Falls Alawin überrascht oder entsetzt war, so ließ sie sich nichts davon anmerken. Mit flinken Fingern wusch sie die Wunde aus, nahm den Tiegel zur Hand und verteilte eine Paste auf den Wundrändern, die ekelhaft aussah, aber wunderbar roch. Das zerfetzte, blutdurchtränkte Hosenbein schnitt sie kurzerhand komplett ab und legte es zu ihren Utensilien an die Seite. Zufrieden rieb sie ihre Hände aneinander.
Mageli wollte protestieren. Das sollte alles gewesen sein? Musste eine solche tiefe Wunde nicht genäht werden? Alawin ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
»Ondulas sollte nun schlafen. Schlaf ist bisweilen die beste Medizin. Und wir zwei können uns solange ein wenig unterhalten.« Sie legte Mageli sanft die Hand auf den Rücken und führte sie zum Ausgang der Höhle. Ohne eine Erklärung durchquerte sie den hängenden Garten und blieb erst stehen, als sie wieder am Wasserfall angelangt waren. Im Inneren von Alawins Haus hatte man das Rauschen gar nicht gehört, jetzt war es ohrenbetäubend laut.
»Lass uns hier eine Weile sitzen.« Alawin deutete auf eine Steinbank im Felsen. Als sie sich setzten, ließ das Tosen des Wassers nach und verklang zu einem leisen Rauschen.
»Du bist also Mageli«, wandte sich Alawin an ihre Besucherin.
Mageli staunte. Woher wusste die weise Elfe das? Ondulas hatte keinen Ton über die Lippen gebracht, seit sie hinter dem Wasserfall angekommen waren. Und sie selbst hatte auch noch keine Gelegenheit gehabt, sich vorzustellen. Konnte Alawin hellsehen? Oder Gedanken lesen?
Alawin schien Magelis Verwunderung zu spüren. »Du fragst dich wahrscheinlich, woher ich deinen Namen kenne. Und nicht nur das. Ich weiß bereits eine Menge über dich und deine Fähigkeiten.« Sie betrachtete Mageli mit einem warmen Ausdruck in ihren milchig blauen Augen, und zum ersten Mal, seit sie hier gelandet waren, fiel Mageli auf, dass sie ein altes Gesicht vor sich hatte. Winzige Fältchen breiteten sich wie ein Fächer um die Augenwinkel aus, und auch um den Mund lag ein feines Geflecht von Falten. Die Augen wirkten klar und wach, doch gleichzeitig spiegelten sich darin die Erfahrungen, Freuden und Schmerzen eines sehr langen Lebens. Mageli hatte das Gefühl, diese Augen könnten direkt durch sie hindurch und bis in ihr Herz schauen.
»Ich habe Nachricht von Rikjana erhalten. Sie hat dich mir angekündigt und berichtet, was sie bereits über deine Begabung in Erfahrung bringen konnte. Auch deine wundersame Geschichte hat sie
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