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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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hin und her getrieben wurde. Dann dachte sie an nichts mehr, bis der Bus kam.
    Um kurz vor drei stieg Mageli die Stufen zum Seniorenstift hinauf. Als sie in der Eingangshalle stand, fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, in welchem Zimmer Inga wohnte. Sie ging zu der kleinen Portiersloge, in der ein junger Mann mit pickeligem Gesicht und fettigen Haaren saß und mit endlos gelangweiltem Gesichtsausdruck in einem Comicheft blätterte.
    »Entschuldigung«, sagte Mageli leise und, als keine Reaktion kam, noch einmal lauter.
    Der junge Typ guckte sie an und klappte den Mund auf, wobei der Zahnstocher, auf dem er vorher herumgekaut hatte, herausfiel und auf dem Boden landete.
    Mund zu, es zieht!
    Mageli war zu mies drauf für eine blöde Bemerkung, also fragte sie, wo sie Inga Sigrunsdottir finden konnte.
    Der Kerl blätterte eine halbe Ewigkeit in einer Mappe. Es wäre sicher schneller gegangen, wenn er nicht ständig zu Mageli geschaut hätte, aber schließlich fand er Ingas Namen und gab Mageli eine Zimmernummer samt Wegbeschreibung.
    »Zweiter Stock links, wieder links, durch die Verbindungstür und dann rechts. Ich kann dich auch bringen«, bot er großzügig an.
    »Nee danke, lass mal.« Das Pickelgesicht an ihrer Seite – und sei es nur für zwei Stockwerke – war das Letzte, was sie sich jetzt wünschte.
    Der Weg war leichter zu finden, als die Beschreibung geklungen hatte. Mageli klopfte ein wenig zaghaft an die Tür, und von innen ertönte Ingas tiefe Stimme: »Herein, immer herein in die gute Stube.«
    Das Zimmer war überraschend geräumig und besaß sogar einen kleinen Balkon mit Blick auf einen Park, in dem alte Leute spazieren gingen, auf Bänken saßen oder in ihren Rollstühlen in die Sonne blinzelten. In der einen Zimmerecke stand ein Bett, halb verdeckt durch einen mit filigranen Schmetterlingen bemalten Paravent. An der nächsten Seite befand sich ein Wandschrank, in dem eine winzige Küche untergebracht war. Mitten im Zimmer stand ein ausladendes Sofa. Seine besten Zeiten hatte es schon lange hinter sich und eine gehäkelte Patchworkdecke verdeckte nur unzureichend die abgeschabten Stellen.
    Auf diesem Sofa saß Inga Sigrunsdottir und lächelte Mageli aufmunternd zu, als sie den Raum betrat. Auf einem winzigen Tischchen standen Teller und Tassen mit einem üppigen, kitschigen Blumenmuster und Goldrand sowie eine große Platte mit reichlich Kuchen, wie Mageli erfreut feststellte. Der Tisch war für drei Personen gedeckt, aber sie konnte nur die alte Dame in dem Zimmer entdecken. Inga trug wieder ihre ausgebeulte Strickjacke und hatte trotz des warmen Wetters sogar im Zimmer ihre Mütze aufbehalten.
    »Guten Tag, da bin ich«, sagte Mageli etwas schüchtern und blieb mitten im Zimmer stehen.
    »Ja, da bist du wohl«, antwortete Inga erfreut. Einladend klopfte sie auf den freien Platz neben sich auf dem Sofa. Mageli setzte sich.
    »Kaffee?« Die alte Dame schwenkte eine silberne Thermoskanne vor Magelis Nase hin und her. Mageli verkniff es sich, ihr zu verraten, dass sie keinen Kaffee mochte. Stattdessen nickte sie schicksalsergeben und Inga schenkte zwei der drei Tassen voll.
    »Ich fürchte, Silas lässt uns noch warten. Pünktlichkeit zählt leider nicht zu seinen vielen Tugenden«, erklärte sie und schaute Mageli forschend an. »Du siehst aber gar nicht gut aus heute, mein Mädchen. Irgendwie traurig. Ist etwas passiert?«
    Mageli überlegte, ob sie Inga die ganze Geschichte erzählen sollte. Inga hätte ihr sicher zugehört, und irgendwie hatte Mageli das Gefühl, dass sie vielleicht auch verstanden hätte, was passiert war. Andererseits kannte sie sie noch nicht gut genug. Vielleicht würde die alte Frau sie einfach für verrückt erklären. Also schüttelte Mageli nur den Kopf.
    »Männer«, erklärte sie mit einem Unterton, von dem sie hoffte, dass er gleichzeitig vielsagend und ironisch klang.
    Ingas Miene ließ vermuten, dass das nicht ganz gelungen war, dennoch bohrte sie nicht nach.
    »Ja, die können einem das Leben ganz schön schwer machen«, sagte sie stattdessen verständnisvoll. »Aber ohne sie wäre es wohl auch langweilig. Möchtest du ein Stück Kuchen?«
    Magelis Magen gab ein beängstigendes Grummeln von sich. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
    »Ja gerne, danke.«
    Ein großzügiges Stück Apfelkuchen landete auf Magelis Teller, dazu gesellte sich eine beachtliche Portion Sahne. Schweigend schob sie sich mehrere Gabeln von dem Kuchen in den Mund. Köstlich! Inga

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