Elfenglanz
überhaupt kein Grund dafür einfiel, wieso sie ihn hätte zurückweisen sollen.
Er hob ihr Kinn, um ihr in die Augen zu sehen. »Danke«, sagte er leise.
»Nein«, entgegnete sie und strich langsam mit dem Finger über seine Unterlippe. »Ich danke dir.« Dann zog sie sein Gesicht zu sich hinab und sie küssten sich, bis sie miteinander verschmolzen. Ach, könnte es doch den ganzen Tag so bleiben, das ganze Jahr, für immer! Doch die Wirklichkeit wurde ihnen nur allzu schnell wieder bewusst.
»Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du eigentlich vorhast«, sagte Laurel schließlich.
»Eine Minute noch«, antwortete Tamani lächelnd.
»Uns geht es nicht um Minuten«, sagte sie. »Wir haben eine Ewigkeit vor uns.«
Tamani löste sich von ihr, um sie anzusehen. Seine Augen leuchteten vor Glück. »Eine Ewigkeit«, flüsterte er und küsste sie noch einmal lang und leidenschaftlich.
»Heißt das, wir sind umschlungen?«, fragte Laurel. Es gab ihrem Glück einen Stich, als sie das Wort sagte, das Katya vor so langer Zeit benutzt hatte, um Elfenpaare zu beschreiben, die sich füreinander entschieden hatten.
»Ich denke schon«, antwortete Tamani strahlend. Er beugte sich wieder vor und stupste ihre Nase mit seiner an. »Ein Wachposten und eine Mixerin? Das gibt einen hübschen Skandal.«
Laurel lächelte. »Ich liebe gute Skandale.«
»Ich liebe dich«, flüsterte Tamani.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte Laurel und ließ sich die Worte auf der Zunge zergehen. Dieses Versprechen ließ ihre Welt neu und hell erscheinen – es gab Hoffnung. Es gab Träume.
Aber vor allem gab es Tamani.
Achtundzwanzig
S eit Samhain hatte Laurel nicht mehr so viele Elfen auf einmal gesehen. Sie hatten sich in den Torgarten gedrängt, standen an der Umfriedung und bildeten Gruppen an den Eingängen. Andere wagten sich durch die Lücken, die die Orks in die Mauer geschlagen hatten, bis an den Waldrand. Die meisten trugen die schlichte Kleidung der Frühlingselfen, aber auch auffällig gekleidete Sommerelfen und einige wenige Herbstelfen waren gekommen. Die Einzigen, die sich nicht blicken ließen, waren die zeremoniell gekleideten Wächter, die normalerweise den Garten beschützten. Traurig fragte Laurel sich, ob von ihnen überhaupt einer überlebt hatte.
David war einfach dort geblieben, wo sie zuletzt mit ihm gesprochen hatte. Er stand auf, als Laurel und Tamani näher kamen. Laurel wollte seinen traurigen Blick nicht sehen. Sie konnte ihn nicht davor schützen und es bedrückte sie, dass sie ihn verletzt hatte. Dafür konnte sie keine Medizin mixen. Doch es tröstete sie, dass sie immerhin so weit war, ihn loslassen zu können. Schlimmer konnte sein Schmerz nicht mehr werden.
»Eigentlich sollte sie mittlerweile hier sein«, meinte Tamani.
»Wer?«
»Chelsea – ah! Da kommt sie.«
Als Laurel sich umdrehte, entdeckte sie Chelsea mit weiteren Frühlings- und Sommerelfen im Gefolge.
»Tamani«, fragte Laurel, die kurz davor war, in hysterisches Gelächter auszubrechen. »Jetzt im Ernst! Sag mir, was los ist! Was hast du getan?«
»Ich habe Chelsea gebeten, allen Lockern und Funklern mitzuteilen, dass Marion entweder ihren Helden in Avalon einsperren oder Jamison hinrichten lassen will und dass sie kommen sollten, um … äh, zuzusehen.«
»Hast du nicht!«, rief Laurel entzückt.
»Oh doch! Glaub mir«, sagte Tamani. »Was gleich passiert, sollte von möglichst vielen Zuschauern bezeugt werden.«
Als Chelsea wieder bei ihnen war, zog Tamani sie an sich und küsste sie liebevoll auf den Scheitel. »Vielen Dank. Und nicht nur dafür«, sagte er und zeigte mit großer Geste auf die Menge. »Für alles.«
Chelsea strahlte. Laurel winkte David näher heran und gemeinsam gingen die vier durch die zerstörten Gartentore. Die Menge teilte sich und hieß sie lächelnd und mit Dankesworten willkommen, während einige warnend darauf hinwiesen, dass die Winterelfen an den Toren warteten.
Als sie den eingezäunten Garten mit seinen fruchtbaren Erdwegen und den riesigen, mit Moos bewachsenen Bäumen durchschritten, staunte Laurel, wie wenig er trotz der gestrigen Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen worden war. Der Rasen war zertrampelt und mehrere Bäume wirkten, als hätten sie einen bösen Sturm erlebt, doch die Leichen waren fortgetragen und die Waffen eingeschlossen worden. Avalon hatte viel durchgemacht, doch es heilte bereits.
Wie Laurel es erwartet hatte, saßen alle drei Winterelfen von Avalon auf einer Marmorbank in
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