Elfenkrieger (Mithgar 02)
ist vorherbestimmt, und die Vorstellung von einer freien Wahl oder einem freien Willen ist eine reine Illusion.«
»Warum?«
Burel hob einen Kiesel auf. »Nehmt diesen Stein. Wenn ich ihn so lege, dass er einen Abhang hinunterrollt und dabei einen anderen Stein gleicher Größe trifft, würde das nicht diesen zweiten Stein veranlassen, ebenfalls bergab zu rollen?«
Ferai nickte, blieb aber stumm.
Burel fuhr fort. »Und wenn ich genau wüsste, wo der erste Stein den zweiten träfe, würde ich dann nicht auch genau wissen, wie beide Steine reagieren würden, wie schnell und in welchem Winkel der eine abprallen würde, wie auch Richtung und Geschwindigkeit des zweiten?«
Wiederum nickte Ferai.
»Dann überlegt Folgendes: Wenn jene über Elwydd und Adon alles erschaffen haben, alles wissen und alles in Gang gesetzt haben, kennen sie dann nicht auch unsere Bestimmung? Sind wir dann nicht wie Kiesel, die von vielen Zusammenstößen in unserem Leben fortbewegt werden? Zusammenstöße, deren Ergebnis den höchsten Wesenheiten bereits bekannt ist?
Ihr glaubt vielleicht, Ihr habt eine Wahl, Ferai, aber die Zusammenstöße in Eurem Leben stehen bereits fest, und Euer Weg ist unveränderlich vorherbestimmt… ebenso wie meiner, ebenso wie alles, was war, ist und je sein wird. Wir ziehen nur durch eine endlose Geschichte, die bereits erzählt ist.«
»Ha!« Ferai runzelte die Stirn. »Wenn es eine endlose Geschichte ist, wie kann sie dann bereits erzählt sein?«
Burel zuckte lediglich die Achseln.
Ferai schüttelte den Kopf. »Wenn Ihr glaubt, der Weg steht bereits fest, warum dann überhaupt nach etwas streben, warum dann überhaupt eine Wahl treffen?«
»Weil geschrieben steht, dass wir es tun sollen, dass wir uns bemühen und wählen sollen, aber wie die Kiesel rollen wir nur den vorbestimmten Weg entlang.«
»Pah!«, fauchte Ferai und wandte sich dann an Arin. »Was sagt Ihr zu diesem Verrückten, Dara?«
Arin lächelte. »Meine Sicht der Dinge ist anders.«
»Inwiefern?«
Die Dylvana kratzte eine Linie in den sandigen Boden. »Das ganze Leben besteht aus ungezählten Möglichkeiten. Sollten wir diesen Weg wählen, gehen wir hierher.« Ihre Linie in der Erde knickte nach links ab. »Aber sollten wir uns anders entscheiden« – sie bewegte den Stock wieder zurück und zog eine nach rechts abknickende Linie –, »gehen wir stattdessen diesen Weg. Das Leben besteht aus verzweigten Wegen, die nach links und rechts abbiegen und geradeaus verlaufen oder in jedem beliebigen Winkel abschwenken. Manche Wege sind wahrscheinlicher als andere, aber jeder Weg kann beschritten werden. Und jede Wahl, die wir treffen, führt uns zu noch mehr Abzweigungen vor uns.
Wenn wir ein einfaches Leben führen, abgeschieden und voller Eintönigkeit, dann hat man wenig Auswahl. Doch wenn unser Leben sich mit dem von anderen kreuzt – Familie, Freunde, Fremde, Feinde –, hat auch deren Wahl Einfluss auf uns, wie unsere Wahl manchmal auch sie beeinflusst. Je mehr Personen wir begegnen, desto mehr kreuzen und überschneiden sich auch unsere Wege. Je mehr Leute und Ereignisse, desto mehr Abzweigungen und desto verwirrender die Verstrickungen… so viele Wahlmöglichkeiten und miteinander verknüpfte Abzweigungen, dass es aussieht wie ein einziges Chaos.
Doch weil, wie Burel gesagt hat, die meisten Leute eben nicht die Wahl haben, zum Mond zu reisen oder in Flammen aufzugehen oder einen Berg zu bewegen oder ein Gott zu werden… oder auch unzählige andere Dinge zu tun, die nicht in ihrer Macht stehen, ist dieses endlose Gewirr der Verzweigungen dennoch begrenzt – ein begrenztes Chaos, wenn man so will.
Doch wenn wir in die Vergangenheit schauen, sehen wir kein Gewirr mehr, sondern die Abfolge der von uns getroffenen Entscheidungen. Eine Ordnung, wie Burel sie beschreibt.
Aber der Blick in die Zukunft zeigt uns endlose Wahlmöglichkeiten, die alle verstrickt und verknotet sind, wie Ihr glaubt, Ferai.
Es gibt aber vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse, die aus all dem herausragen, weil alle Wege zu ihnen führen, egal, welche Wahl wir auch treffen.«
»Wie Wyrds?«, fragte Egil.
Arin nickte. »Man kann sie sich so vorstellen. Wyrds für die ganze Welt. Das sind die Wege der Prophezeiung…«
»Und dafür hältst du den grünen Stein, nicht? Für ein Wyrd für die Welt?«
»Ja, Egil, das tue ich.«
Delon schüttelte den Kopf. »Aber, Dara, zuerst erzählt Ihr uns, wir hätten die Wahl, und dann erzählt Ihr uns,
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