Elfenkrieger (Mithgar 02)
und fluchte lauthals. Um Mitternacht ertönte es noch einmal und riss den alten Mann aus dem Schlaf. »Ich habe das verwünschte Ding die letzten zwanzig, dreißig Tage jede Nacht zweimal gehört. Soll es mich denn den Rest meines Lebens plagen?« Trotz seines Zorns schlief er jedoch sofort wieder ein.
Am zweiten Tag ihres Weges durch die gewundenen Schluchten wandten sich die Gespräche der Gefährten ihren Eltern zu. Von ihnen allen hatte nur Arin noch eine Mutter und einen Vater, die noch lebten, wenngleich nicht auf Mithgar, sondern auf Adonar. Alle anderen waren an einer Krankheit, im Kampf oder eines natürlichen Todes gestorben; waren ermordet worden wie Ferais Eltern oder wie Aikos Vater gebrochen und entehrt dahingewelkt, da man ihm sogar die Ehre verwehrt hatte, sich selbst zu entleiben, nachdem seine Tochter demaskiert worden war.
Nachdem er das erfahren hatte, legte Burel einen Arm um Aiko, als sie das nächste Mal die Kamele am Zügel führten, und sie marschierten schweigend gemeinsam weiter.
»Nun denn«, sagte Delon nach einer Weile, der neben Ferai ging, »dann müssen wir eben unsere eigene Familie werden, obwohl ich in dir, meine Liebe, nur eine ganz entfernte Cousine zehnten Grades sehen möchte.«
Ferai sah ihn an. »Eine Cousine zehnten Grades? Warum?«
»Ich würde nicht näher verwandt mit dir sein wollen, denn dann dürfte ich das nicht tun.« Er blieb stehen, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie lang und sanft.
Ihre Kamele, die nicht anhalten wollten, blökten laut vor sich hin.
Alos, der ihnen folgte, prustete vor Lachen.
Mit klopfendem Herzen und gerötetem Gesicht löste Ferai sich von dem Barden, der jedoch nur die Arme in die Luft reckte und ein Lied anstimmte.
Gemeinsam zerrten sie an den Kamelen, und die Tiere protestierten lautstark, denn nun sollten sie sich schon wieder bewegen, wo sie gerade erst stehen geblieben waren.
Während sie ihren Weg durch die Schlucht fortsetzten, sang Delon eine Ballade, die auch den beiden anderen, sehr verliebten Männern nahe ging. Jene, die sie liebten, mussten sich ihren Ängsten stellen: Dara Arin, die sich davor fürchtete, was die nächsten Jahrzehnte für ihren sterblichen Geliebten bedeuten würden, die grimmige Aiko, die kaum akzeptieren konnte, dass sie in ihrem Kriegerherzen Platz für Liebe hatte, und die misstrauische Ferai, die als Kind geschändet worden war.
Als an jenem Abend entferntes Dämonengeheul durch das rote Labyrinth hallte, schlugen sie ihr Lager auf der Insel im Himmel auf. Während sie darauf warteten, dass ihr Teewasser über dem Holzkohlenfeuer kochte, sagte Ferai zu Burel: »Erzählt mir mehr über diese Dinge, von denen Ihr sagt, dass sie geschrieben stehen. Was genau meint Ihr damit?«
Burel sah nicht vom Feuer auf. »Ich will Euch eines fragen, Ferai: Glaubt Ihr, Ihr könnt Euren Weg im Leben frei wählen?«
Ferai stocherte mit ihrer Reitgerte in der Holzkohle herum und beförderte ein Kohlenstück dorthin, wo es Feuer fangen konnte. »Ja, Burel, es steht mir vollkommen frei, alles zu tun, wenn ich es tun will.«
Jetzt riss Burel den Blick von der Glut los und sah sie an. Sie schauderte, als überlaufe sie ein Frösteln, schaute aber nicht weg. Einen Moment begegneten sich ihre Blicke, dann schaute er zum östlichen Nachthimmel und zeigte auf den Vollmond, der über dem roten Labyrinth leuchtete. »Wenn Ihr es wolltet, könntet Ihr dann zum Mond gehen?«
Ihr Blick folgte dem seinen, und eine ganze Weile antwortete sie nicht. Doch schließlich sagte sie: »Vielleicht. Aber es würde eine lange Ausbildung in der Kunst der Magie erfordern.« Sie warf einen Blick auf Burels Schwert und fügte dann hinzu: »Oder man müsste ein Schiff erbauen, das durch den Himmel segeln kann.«
Burel schnaubte und sagte dann: »Aber Ihr könnt nicht einfach dorthin gehen, nur weil Ihr es wünscht.«
Ferai grinste und schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht.«
»Dann gibt es Grenzen für Eure völlig freie Wahl, nicht? Ihr könnt nicht zum Mond gehen, könnt nicht fliegen, könnt Euch nicht in einen Fisch verwandeln, könnt ungezählte Dinge nicht einfach tun. Sie übersteigen Eure Fähigkeiten. Das heißt, oft steht das, was Ihr Euch wünscht, gar nicht zur Auswahl.«
»Das stimmt, Burel. Aber mein Wille ist vollständig frei. Von allen Dingen, die in meiner Macht stehen, kann ich mir aussuchen, was ich tun will.«
Der große Mann schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Ferai. Ich glaube, alles
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