Elfenkuss
dunkelgrünen Augen, die fast zu strahlend waren, um echt zu sein. Das Gesicht eines jungen Mannes schwebte über ihr.
Er streckte die Hand aus. »Es tut mir wirklich leid. Wir … ich habe ein wenig Lärm gemacht und dachte, du hättest das gehört.« Er lächelte schüchtern. »Da habe ich mich wohl vertan.« Sein Gesicht sah aus wie auf einem klassischen Gemälde – schön geformte Wangenknochen unter glatter gebräunter Haut, die besser an einen Strand in L. A. gepasst hätte als in einen eisigen, moosbedeckten Wald. Sein Haar war dicht und schwarz, passend zu den Augenbrauen und Wimpern, die seine besorgt dreinschauenden Augen umrahmten. Die Haare waren lang und feucht, als wäre er im Freien geblieben, als es angefangen hatte zu regnen, und offenbar färbte er seine Haarwurzeln in dem strahlenden Grün seiner Augenfarbe. Sein sanftes, freundliches
Lächeln raubte Laurel den Atem. Es dauerte ein wenig, bis sie ihre Stimme gebrauchen konnte.
»Wer sind Sie?«
Er hielt inne und betrachtete sie mit einem seltsamen unverwandten Blick.
»Und?«, sagte Laurel fordernd.
»Du erkennst mich nicht, oder?«, fragte er.
Sie zögerte mit der Antwort. Irgendwo in ihrem Hinterkopf meldete sich eine Erinnerung, aber je dringender sie sie festhalten wollte, umso mehr entschlüpfte sie ihr. »Sollte ich?«, fragte sie zurückhaltend.
Der forschende Blick verschwand so abrupt, wie er gekommen war. Der fremde Mann lachte leise – beinahe traurig – und seine Stimme wurde vom Baum zurückgeworfen; sie klang mehr wie ein Vogel als wie ein Mensch. »Ich heiße Tamani«, sagte er und streckte eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen. »Wenn du willst, kannst du Tam zu mir sagen.« Als Laurel plötzlich einfiel, dass sie immer noch auf dem feuchten Waldboden lag, überschwemmte sie eine Welle der Verlegenheit. Sie beachtete seine Hand nicht und stand allein auf, wobei sie vergaß, ihre Blütenblätter festzuhalten. Sie riss ihr T-Shirt nach unten und sog scharf die Luft ein, als die Blume gegen ihre Haut schlug.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Ich komme deiner Blüte nicht zu nahe.« Er grinste, und sie hatte das Gefühl, einen Insiderwitz nicht zu verstehen. »Ich weiß, in welche Blüten ich eindringen darf und in welche nicht.« Er atmete tief ein. »Mmmm. Aber so
wunderbar du auch riechst, so sind mir deine Blüten doch verboten.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Jedenfalls jetzt noch.«
Als er eine Hand an ihr Gesicht legte, war Laurel unfähig, sich zu rühren. Er strich ihr ein paar Blätter aus dem Haar und musterte ihre Figur mit schnellen Blicken. »Du scheinst heil geblieben zu sein. Keine gebrochenen Blütenblätter oder Stiele.«
»Wovon reden Sie?«, fragte sie und versuchte, die Blütenblätter zu verstecken, die unter ihrem T-Shirt hervorlugten.
»Dafür ist es jetzt ein bisschen spät, findest du nicht?«
Sie sah ihn böse an. »Was machen Sie hier?«
»Ich wohne hier.«
»Sie wohnen nicht hier«, widersprach sie verwirrt. »Das Grundstück gehört mir.«
»Wirklich?«
Er hatte sie wieder aus der Fassung gebracht. »Also, es gehört meinen Eltern.« Sie hielt weiter ihr T-Shirt fest. »Und Sie … Sie haben hier nichts zu suchen.« Wieso waren seine Augen so unglaublich, wahnsinnig grün? Kontaktlinsen , beschwichtigte sie sich selbst.
»Habe ich das nicht?«
Sie riss die Augen auf, als er einen weiteren Schritt auf sie zukam. Seine Miene war so selbstbewusst, sein Lächeln so ansteckend, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. Sie war sicher, dass sie noch nie in ihrem Leben jemanden wie ihn getroffen hatte, und doch wurde sie von einem Gefühl der Vertrautheit überwältigt.
»Wer sind Sie?«
»Das habe ich doch gesagt. Ich heiße Tamani.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wer sind Sie wirklich?«
Tamani legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Psst, alles zu seiner Zeit. Komm mit.« Als er ihre Hand nahm, zog sie sie nicht weg, nicht mal als er sie tiefer in den Wald hineinführte. Ihre andere Hand vergaß langsam ihre Aufgabe und ließ das T-Shirt los. Die Blütenblätter richteten sich auf, bis sie hinter ihr in ihrer ganzen Schönheit erstrahlten. Tamani sah sich um. »Na also, das fühlt sich doch besser an, oder?« Laurel konnte nur nicken. Sie war verwirrt, und obwohl sie irgendwie glaubte, sie sollte sich Sorgen machen, war ihr das nicht länger wichtig. Wichtig war nur, diesem Typen mit dem lockenden Lächeln zu folgen. Er führte sie zu einer kleinen Lichtung, auf der sich oben die
Weitere Kostenlose Bücher