Elfenkuss
Laurel und schaute Tamani wütend an, als er lachen musste. Ihr saß eine Frage im Nacken, aber sie fürchtete sich vor der Antwort. Schließlich schluckte sie und fragte leise:
»Bin ich dabei, mich in eine Blume zu verwandeln?«
Ein amüsiertes Lächeln spielte um Tamanis Mundwinkel, aber diesmal lachte er nicht. »Nein«, sagte er sanft.
Laurel war so erleichtert, dass sie sich rundum entspannte.
»Du bist immer schon eine Blume gewesen.«
»Wie bitte? Was meinen Sie damit genau?«
»Du bist eine Pflanze. Du bist kein Mensch, bist nie einer gewesen. An der Blüte zeigt es sich nur am deutlichsten«, erklärte Tamani ruhiger, als er Laurels Meinung nach sein dürfte.
»Eine Pflanze?«, fragte Laurel und gab sich keine Mühe, ihren Zweifel zu verbergen.
»Ja. Selbstverständlich nicht irgendeine Pflanze, sondern die am weitesten entwickelte Ausformung der Natur auf dieser Welt.« Er beugte sich vor, seine grünen Augen blitzten. »Laurel, du bist eine Elfe.«
Laurel biss die Zähne aufeinander, als sie merkte, wie dumm sie gewesen war. Sein gut aussehendes Gesicht hatte sie verlockt, ihm weit in den Wald zu folgen und seine ungeheuerlichen Behauptungen zu schlucken, jedenfalls fast. Mit vor Wut funkelnden Augen stand sie auf.
»Warte«, sagte Tamani und schoss vor, um ihr Handgelenk zu packen. »Geh noch nicht. Ich muss wissen, was deine Eltern mit diesem Land vorhaben.«
Laurel befreite sich mit einem Ruck. »Hauen Sie ab«, fauchte sie. »Wenn ich Sie hier noch mal erwische, rufe ich die Polizei.« Sie drehte sich um und zog im Rennen ihr T-Shirt wieder über die Blütenblätter.
Er rief ihr nach: »Laurel, ich muss es wissen, Laurel!«
Sie spornte sich an, schneller zu gehen. Das Wichtigste war, so weit wie möglich von Tamani wegzukommen, diesem seltsamen Mann, der so viele verwirrende Gefühle in ihr auslöste.
Als sie die Lichtung erreichte, von der aus sie Tamani gefolgt war, hielt Laurel einen Moment lang an, um die Blüten mit dem Schal wieder um ihre Taille zu binden. Sie hob ihre Gitarre auf und hängte sie sich um. Bei dieser Bewegung geriet ihre Hand in einen Sonnenstrahl. Sie hielt inne und streckte dann die Hand noch mal aus. Auf ihrem Handgelenk schimmerten Pünktchen wie Glitzerpuder. Super. Das ist von ihm da hängen geblieben. So ein blöder Trick . Als Laurel in Sichtweite des Blockhauses kam, blieb sie mit bebender
Brust stehen. Als sie erneut ihr Handgelenk betrachtete, wurde sie schrecklich wütend und rubbelte so lange, bis nichts mehr glitzerte.
Neun
A m nächsten Tag fühlte Laurel sich wie ein Zombie. Sie wollte nichts von dem glauben, was Tamani ihr erzählt hatte. Dennoch musste sie ständig daran denken. War es möglich?, fragte sie sich, bevor sie wieder wütend auf sich selbst wurde, weil sie das alles lächerlich fand. Und so biss sich die Katze in den Schwanz.
David versuchte mehrmals, sie im Gang zu erwischen, aber es gelang ihr stets, vor ihm in die Klasse zu kommen.
In Biologie konnte sie ihm nicht mehr ausweichen.
Er eilte zu dem Platz neben ihr. »Was ist los?«, fragte er. »Breitet es sich aus?«, flüsterte er, bevor sie sich wegdrehen konnte.
Mit einem Kopfschütteln ließ sie ihr Haar um ihr Gesicht fallen, bis es wie eine Mauer zwischen ihnen wirkte.
David schob seinen Stuhl noch näher an ihren, während ihre Mitschüler lärmend ihre Plätze einnahmen. »Laurel, du musst mit mir reden. Du drehst durch, wenn du alles mit dir selbst ausmachst.«
»Ich kann nicht …« Ihre Stimme brach, als ihr die Tränen kamen. »Ich kann jetzt nicht reden.« David
nickte. »Nach der Schule?«, fragte er, als Mr James mit dem Unterricht begann.
Laurel nickte und versuchte, unauffällig die Tränen abzuwischen.
Unter dem Pult tätschelte David ihr Knie und fing an, seinen Block vollzukritzeln. Laurel wünschte, er würde das Wichtigste für sie mit notieren.
Der Tag schleppte sich dahin, während Laurel sich innerlich im Kreis drehte und sich schon darüber ärgerte, dass sie gesagt hatte, sie würde mit David reden. Auf der anderen Seite war sie erleichtert, dass sie sich dazu verpflichtet hatte. Sie wusste nicht mal, wo sie anfangen sollte. Wie brachte man es fertig, locker zu sagen: »Hallo, weißt du was, ich bin eine Figur aus einem Märchen?«
»Bin ich nicht«, murmelte Laurel halb zu sich selbst. »Das ist Quatsch.«
Aber überzeugt war sie nicht.
Nach der Schule ging sie mit David zu ihm. Er schien zu merken, dass ihr eigentlich nicht nach Reden
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