Elfenkuss
»Im Gegenteil: irgendwie cool.«
»Das passt; du stehst ja auch auf Bio. Mir würde es schon reichen, beim Sport nicht angestarrt zu werden.«
»Bestens.« David beharrte auf seinem Standpunkt. »Dann finde ich es eben für uns beide cool.«
Laurel machte ein schnaubendes Geräusch und zog damit Mr James’ Aufmerksamkeit auf sich.
»Laurel, David? Möchtet ihr den Witz mit dem Rest der Klasse teilen?«, fragte er und stützte eine Hand in seine magere Hüfte.
»Nein, danke, Sir«, erwiderte David. »Aber nett, dass Sie fragen.« Die übrigen Schüler lachten, aber Mr James fand das nicht lustig. Laurel lehnte sich zurück und grinste. Eins zu null für David gegen den Lehrer, der wünschte, er wäre genauso schlagfertig.
Am Samstag trafen Laurel und David sich bei ihm, um zu »lernen«. David zeigte ihr einen Artikel, den er im Internet gefunden hatte. Er beschrieb, wie Pflanzen durch ihre Blätter Kohlendioxid aufnehmen. »Wie ist das bei dir?«, fragte er. Sie saß auf seinem Bett und wandte ihre Blütenblätter seinem Westfenster zu, wo sie von der Sonne beschienen wurden. Das war nur einer der vielen Vorteile, die es hatte, beinahe jeden Tag nach der Schule in Davids leerem Haus zu »lernen«. David bemühte sich sogar aufrichtig, sie nicht anzustarren – obwohl Laurel nicht wusste, ob seine flüchtigen Blicke sich auf ihre Blütenblätter richteten oder auf ihre nackte Taille.
Eigentlich war es ihr aber egal.
»Nun, ich habe keine richtigen Blätter, außer den winzig kleinen unter den Blütenblättern. Noch nicht «, sagte sie hintergründig.
»Technisch gesehen nicht, aber ich glaube, deine Haut zählt in diesem Fall mit.«
»Wieso? Sieht sie mittlerweile grün aus?«, fragte sie, hielt dann aber abrupt den Mund. Die Vorstellung, grün zu werden, erinnerte sie an Tamani und seine grünen Haare. Sie wollte nicht an ihn denken. Es verwirrte sie nur. Außerdem kam es ihr unfair vor, an ihn zu denken, wenn sie mit David zusammen war. Irgendwie illoyal. Diese Gedanken sparte sie sich für die Nächte auf, kurz vor dem Einschlafen.
»Blätter müssen nicht unbedingt grün sein«, dozierte David weiter, ohne etwas zu merken. »Bei den meisten Pflanzen stellen die Blätter die größte äußerliche Oberfläche dar, das müsste bei dir dann die Haut sein. Vielleicht nimmst du also durch deine Haut Kohlendioxid auf.« Er wurde rot. »Du ziehst ja sogar Tanktops an, wenn es kalt ist.«
Laurel rührte mit dem Strohhalm in ihrer Sprite. »Und warum atme ich dann? Ich atme nämlich, echt«, sagte sie spitz.
»Musst du es denn?«
»Was meinst du damit? Natürlich muss ich atmen.«
»Glaube ich nicht. Jedenfalls nicht so wie ich. Oder zumindest nicht so oft. Wie lange kannst du die Luft anhalten?«
Sie zuckte die Achseln. »Lange genug.«
»Na, komm, du warst doch schon mal schwimmen, da musst du doch eine ungefähre Ahnung haben. Schätz mal«, drängte er, als sie den Kopf schüttelte.
»Ich komme einfach hoch, wenn ich unter Wasser fertig bin. Ich tauche sowieso nicht oft. Nur um die
Haare nass zu machen, also, woher soll ich das wissen?«
David grinste und zeigte auf seine Uhr. »Wie wär’s, wenn wir es herausfinden?«
Laurel sah ihn kurz an, schob dann ihr Getränk weg, beugte sich vor und piekte David in die Brust. »Ich habe es satt, dass immer an mir rumexperimentiert wird. Lass uns doch messen, wie lange du die Luft anhalten kannst.«
»Meinetwegen, aber danach bist du dran.«
»Einverstanden.«
David holte mehrmals tief Luft, und als Laurel »jetzt« sagte, saugte er die Lungen voll Luft und lehnte sich im Stuhl zurück. Er schaffte zweiundfünfzig Sekunden, bevor er mit knallrotem Gesicht ausatmete. Nun war Laurel an der Reihe.
»Lach mich bloß nicht aus«, warnte sie ihn. »Wahrscheinlich bist du um Längen besser.«
»Das bezweifle ich sehr.« Er grinste auf eine gewisse zuversichtliche Art und Weise, die er immer an den Tag legte, wenn er sich ganz sicher war.
Laurel holte tief Luft und legte sich auf Davids Bett. Er schaltete die Stoppuhr an, die leise piepte.
Sein selbstsicherer Blick nervte sie so, dass sie sich nach wenigen Sekunden zum Fenster drehte und einem Vogel zusah, der in den blassblauen Himmel flog, bis er über einen Hügel außer Sichtweite flatterte.
Da es sonst nichts Interessantes zu sehen gab, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Brust. Allmählich
wurde es unangenehm. Sie wartete noch ein bisschen, entschied, das Gefühl nicht zu mögen, und atmete
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