Elfenkuss
und dann um deine Schulter binden, merkt keiner, dass es kein Kostüm ist. Alle würden es einfach nur toll finden.«
»Damit komme ich doch nicht durch, das als Kostüm auszugeben, David. Es ist zu gut.«
Er zuckte die Schultern. »Normalerweise glauben die Leute, was man ihnen erzählt.« Er grinste. »Und glaubst du wirklich, dass irgendwer dich anguckt und sagt ›Hmmm, ich glaube, das Mädchen ist eine Pflanze‹?«
Was für eine Idee! Laurels Gedanken schweiften zu dem schimmernden himmelblauen Kleid ab, das sie im vergangenen Sommer bei der Hochzeit einer Cousine ihrer Mutter getragen hatte. »Ich denke darüber nach«, versprach sie.
Als David am Mittwoch nach der Schule arbeiten musste, beschloss Laurel, in die Bibliothek zu gehen. Sie wandte sich zur Informationstheke, wo die Bibliothekarin einem Kind die Dewey-Dezimal-Klassikfikation erklärte, das nichts verstand oder auch nur verstehen wollte. Nach einigen Minuten zuckte der Junge die Schultern und ging weg.
Mit einem frustrierten Seufzer wandte sich die Bibliothekarin Laurel zu. »Ja, bitte?«
»Kann ich ins Internet?«, fragte Laurel.
Die Frau lächelte, wahrscheinlich freute sie sich, zur Abwechslung eine einfache Frage beantworten zu dürfen. »Mit dem Computer dahinten«, erklärte sie mit einer Geste. »Du kannst dich mit der Nummer deines Bibliotheksausweises einloggen und eine Stunde im Netz bleiben.«
»Nur eine?«
Die Bibliothekarin lehnte sich verschwörerisch vor. »Diese Regel mussten wir vor ein paar Monaten einführen, weil ständig eine alte Dame kam, die den ganzen Tag Internet-Hearts gespielt hat.« Sie richtete sich achselzuckend wieder auf. »Du weißt ja, wie das läuft, ein paar Idioten machen den anderen alles kaputt. Wenigstens läuft unser Internet mit Hochgeschwindigkeit«, fügte sie noch hinzu, während sie sich bereits zum Einscannen einem Bücherstapel zuwandte. Laurel ging zu der Kabine mit dem einzigen internetfähigen Computer. Im Vergleich mit der verschwenderisch ausgestatteten Bibliothek in Eureka, wo sie mit ihrem
Vater oft gewesen war, war die Bibliothek von Crescent City kaum größer als ein normales Haus. Es gab ein Regal mit Bilderbüchern, eins mit Belletristik und ansonsten nur Fachbücher und Nachschlagewerke. Nicht einmal davon gab es viele. Laurel setzte sich an den Computer und loggte sich ein. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr fing sie an zu googeln. Eine Dreiviertelstunde später hatte sie Bilder von Elfen gefunden, die in Blumen lebten, Anziehsachen aus Blumenmaterial trugen und Tee aus winzigen Blütenkelchen tranken. Doch nirgends wurden Elfen erwähnt, die selbst Blumen waren. Oder Pflanzen oder irgendwas in der Richtung. Blöd , dachte sie gereizt.
Sie arbeitete sich langsam durch einen langen Wikipedia-Artikel, musste aber alle zwei bis drei Sätze irgendetwas nachschlagen, was sie nicht verstand. Deshalb hatte sie erst wenige Abschnitte geschafft. Doch sie holte tief Luft und machte sich daran, den Rest zu lesen.
»Ich liebe Elfen!« Laurel fiel fast vom Stuhl, als Chelsea ihr so ins Ohr schrie.
Sie ließ sich auf einen Stuhl neben Laurel plumpsen. »Ich hatte vor einem Jahr so eine Phase, da habe ich mich nur mit Elfen beschäftigt. Ich habe mindestens zehn Bücher über Elfen und die passenden Poster dazu. Irgendwo habe ich ein Pamphlet mit einer Verschwörungstheorie gefunden, das behauptet, Irland würde vom Seligen Hof regiert. Obwohl das etwas weit hergeholt klang, hatte der Autor in vielen Punkten recht.«
Laurel schloss den Browser, so schnell sie konnte – besser spät als nie, dachte sie.
»Im Mittelalter dachten die Leute immer, wenn etwas Schlimmes passierte, dass die Elfen dran schuld waren«, fuhr Chelsea fort, die gar nicht zu merken schien, dass Laurel noch kein Wort gesagt hatte. »Natürlich machten sie die Elfen auch für die guten Dinge verantwortlich, also glich sich das wahrscheinlich aus.« Sie grinste. »Und warum recherchierst du über Elfen?«
Laurel bekam einen trockenen Mund. Sie dachte fieberhaft über eine Ausrede nach, aber nachdem sie sich eben mit Dutzenden widersprüchlicher Elfengeschichten herumgeschlagen hatte, fiel ihr nichts ein. »Äh, ich wollte nur was rausfinden für …« Ihr fiel gerade noch ein, dass Chelsea in ihrem Englischkurs war, bevor sie ihn als Ausrede anführte.
Dann fiel ihr Davids Vorschlag ein.
»Ich will Samstag als Elfe zum Fest gehen«, platzte sie heraus. »Und da dachte ich, ich informiere mich vorher ein
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