Elfenkuss
aber wieder ihrem schlafenden Mann. »Geht bloß
nicht in die Cafeteria.« Mit dieser Warnung entließ sie die beiden.
»Warum machen wir das hier noch mal?«, fragte David, nachdem sie auf der Suche nach dem richtigen Stadtteil ungefähr eine Stunde lang herumgefahren waren.
»David, irgendwas stimmt mit dem Typen nicht. Das spüre ich ganz genau.«
»In Ordnung, aber findest du es nicht heftig, wenn wir uns zu seinem Büro schleichen und durchs Fenster glotzen?«
»Hast du einen besseren Vorschlag? Soll ich ihn etwa anrufen und fragen, warum er mir so unheimlich ist? Das funktioniert bestimmt«, murmelte Laurel.
»Und was willst du den Bullen sagen, wenn sie uns verhaften?«, fragte David mit einem Anflug von Ironie.
»Jetzt stell dich nicht so an«, sagte Laurel. »Es ist dunkel, wir gehen einmal um sein Büro herum, gucken durch ein paar Fenster und sehen nach, ob alles seriös wirkt.« Nach einer Pause fuhr sie fort: »Und wenn da ein Fenster aufsteht, ist das schließlich nicht meine Schuld.«
»Du bist knatschverrückt.«
»Kann sein, aber mitgegangen, mitgehangen.«
David verdrehte die Augen.
»Wir sind in der richtigen Straße, ›Sea Cliff‹«, sagte Laurel plötzlich. »Mach die Scheinwerfer aus.«
David seufzte, fuhr aber rechts ran und machte das Licht aus. Sie rollten langsam bis ans Ende der Sackgasse
und hielten vor einem baufälligen Haus, das aussah, als wäre es im frühen 20. Jahrhundert erbaut worden.
»Das ist es«, flüsterte Laurel, die mit zusammengekniffenen Augen die Hausnummern in der Kurve und auf der Visitenkarte verglich. David musterte das imposante Gebäude. »So ein Maklerbüro habe ich noch nie gesehen. Es sieht völlig verlassen aus.«
»Dann ist die Chance, erwischt zu werden, umso kleiner. Jetzt komm schon!«
David zog die Jacke enger, als sie um das Haus herumschlichen und durch die Fenster spähten. Es war Neumond und dunkel, aber Laurel hatte trotzdem das Gefühl, dass sie in ihrem hellblauen T-Shirt viel zu gut zu sehen war. Sie wünschte, sie hätte ihre schwarze Jacke nicht im Auto gelassen. Doch wenn sie jetzt umdrehte, fände sie vielleicht nicht mehr den Mut, hierher zurückzukehren.
Das Haus war riesig und breitete sich über mehrere, etwas jüngere Anbauten aus, die wie Anhängsel vom Hauptgebäude abgingen. Als Laurel und David durch die Fenster lugten, entdeckten sie vereinzelt schattige Formen in den dunklen Räumen – »alte Möbel«, wie David ihr versicherte -, aber das Haus war weitestgehend leer. »Hier kann man gar keine Geschäfte machen«, sagte David. »Wie kommt der Mann dazu, so eine Adresse auf seine Visitenkarte zu schreiben?«
»Weil er etwas zu verbergen hat«, flüsterte Laurel zurück. »Ich habe es gewusst.«
»Laurel, meinst du nicht, dass uns die Sache über den Kopf wächst? Lass uns zum Krankenhaus zurückfahren und die Polizei rufen.«
»Und was sollen wir sagen? Dass ein Makler eine falsche Adresse auf seiner Visitenkarte angegeben hat? Das ist doch kein Verbrechen.«
»Wir könnten es deiner Mom sagen.«
Laurel schüttelte den Kopf. »Sie will unbedingt verkaufen. Du hast sie doch mit diesem Barnes gesehen. Der hat sie in eine Art Trance versetzt. Sie hat nur noch gelächelt und war mit allem einverstanden, was er ihr erzählt hat. So habe ich sie noch nie erlebt. Wer weiß, was sie da unterschrieben hat!« Laurel spähte um die Ecke eines besonders schiefen Anbaus und winkte David, ihr zu folgen. »Da ist ein Licht.«
Rasch ging David neben ihr in die Hocke. Allerdings, in Richtung Hinterhaus fiel Licht durch ein kleines Fenster. Laurel erschauerte.
»Ist dir kalt?«
»Die Nerven!«
»Hast du es dir anders überlegt?«
»Nein, nein.« Sie schlich weiter, bemühte sich, großen Ästen und dem überall verstreuten Müll auszuweichen. Das Fenster war so niedrig, dass sie hineinsehen konnten, wenn sie auf dem Boden knieten. Laurel und David gingen rechts und links davon in Position. Rollläden hingen vor dem Fenster, aber sie waren so windschief, dass man hindurchsehen konnte. Von drinnen hörten sie Stimmen und Bewegung, konnten aber
nichts verstehen, solange das Fenster geschlossen war. Laurel atmete mehrmals tief durch und schaute dann durchs Fenster.
Jeremiah Barnes, mit seiner massigen Figur und dem seltsamen Gesicht, geriet beinahe sofort in ihr Blickfeld. Er saß an einem Tisch und arbeitete an den Dokumenten, die er vermutlich am Morgen ihrer Mutter zur Unterschrift vorlegen wollte. Außerdem standen
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