Elfenkuss
zwei weitere Männer nebeneinander und spielten Darts. Barnes war schon nicht gerade attraktiv, aber diese beiden sahen geradezu grotesk aus. Die Haut hing an ihren Gesichtern herunter, als passte sie nicht richtig, und ihre Lippen waren zu bitterem Grinsen verzerrt. Das Gesicht des einen war eine Katastrophe aus Narben und Verfärbungen, und selbst aus der Entfernung konnte sie sehen, dass ein Auge fast weiß, das andere schwarz war. Der andere hatte hellrote Haare, die nur büschelweise wuchsen, was nicht einmal sein Hut verbergen konnte
»Laurel?« David winkte sie von seiner Seite des Fensters zu sich. Sie duckte sich unter dem Fenster durch und lugte von der anderen Seite ins Zimmer. »Was zum Teufel ist das?«
Gegenüber war ein Wesen angekettet, halb Mensch, halb Tier. Sein Gesicht bestand aus verdrehten Fleischklumpen, die beliebig zusammengesetzt waren. Große, krumme Zähne ragten in einem mächtigen Kiefer über die Unterlippe. Darüber wölbte sich ein wulstiges Ungetüm, vielleicht eine Nase. Das Wesen erinnerte vage
an einen Menschen, mit Stofffetzen um Schultern und Bauch. Doch um seinen geäderten Hals lag ein Halsband, was es wie ein bizarres Haustier wirken ließ. Die ungeschlachte Gestalt lümmelte sich auf einem schmutzigen Vorleger und schien zu schlafen.
Laurel grub ihre Fingernägel in das Fenstersims, als sie das Wesen anstarrte. Sie bekam kaum noch Luft und konnte dennoch nicht wegsehen. Als sie gerade glaubte, genug Mut aufzubringen, um den Kopf abzuwenden, klappte das Wesen ein blaues Auge auf und sah sie direkt an.
Neunzehn
L aurel schrak vom Fenster zurück. »Es hat mich angeguckt!«
»Glaubst du, es hat dich gesehen?«
»Keine Ahnung. Wir müssen hier weg. Sofort!« Als von drinnen gutturales Grunzen ertönte, waren ihre Knie wie auf dem Erdboden festgeklebt.
Die beiden Männer brüllten das Wesen an, es solle die Klappe halten, aber Barnes brachte sie mit einem lauten Wort zum Schweigen, das Laurel noch nie gehört hatte. Dann erklang ein leises Summen und nach wenigen Sekunden verebbte das grunzende Geheul.
Laurel beugte sich wieder zum Fenster vor, aber dann spürte sie ein leises Zupfen an ihrem T-Shirt. Als sie sich umdrehte, schüttelte David den Kopf und zeigte auf das Auto.
Laurel war noch nicht so weit, war noch nicht zufrieden. Sie winkte David mit erhobenem Zeigefinger und wagte einen letzten Blick durchs Fenster.
Ihr Blick fiel direkt in die ungleichen Augen von Jeremiah Barnes.
»Los!«, zischte sie David zu und startete zum Vordereingang des Hauses. Doch bevor sie einen zweiten
Schritt machen konnte, zersplitterte die Scheibe über ihr, und eine große Hand packte sie am Nacken und riss sie durch die Fensteröffnung in den Raum. Raue Finger kratzten über ihre Kehle, als der hölzerne Fensterrahmen unter ihrem Rücken brach.
Dann flog sie. Sie schrie nur kurz, bevor sie an die gegenüberliegende Wand knallte. Ihr war schwindelig. Aus weiter Ferne hörte sie David grunzen, als er neben ihr an die Wand geworfen wurde. Laurel versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, aber der Raum drehte sich weiter um sie. David streckte eine Hand aus und zog sie an sich. Heißes Blut tropfte auf ihre Schulter.
Endlich hörte der Raum auf, sich zu drehen, und sie schaute hoch in Barnes’ höhnisches Gesicht. »Wen haben wir denn da?« Er lächelte grausam. »Sarahs kleines Mädchen. Heute habe ich mehr über dich erfahren, als ich jemals wissen wollte.«
Laurel hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber David drückte ihren Arm. Laurel spürte, wie etwas Dickflüssiges, Sirupartiges aus der brennenden Wunde auf ihrem Rücken lief und überlegte, wie viel Schaden der zerbrochene Fensterrahmen angerichtet hatte.
»Braves Mädchen, Bess«, sagte Barnes und tätschelte dem seltsamen Tier den halbkahlen Kopf. Dann ging er neben Laurel und David in die Hocke. »Was wollt ihr hier?«, fragte er sanft, doch bestimmt. Laurel öffnete gegen ihren Willen den Mund. »Wir … wir mussten herausfinden, warum Sie … warum Sie …« Endlich
hatte sie ihren Verstand wieder unter Kontrolle und hielt angestrengt den Mund geschlossen. Sie sah Barnes böse an.
»Wir haben gemerkt, dass etwas nicht stimmte«, sagte David. »Wir dachten, vielleicht finden wir hier etwas.«
Laurel drehte sich mit aufgerissenen Augen zu David um. Er starrte leicht benebelt geradeaus und trug denselben unheimlichen Gesichtsausdruck zur Schau, den Laurel eine Stunde zuvor bei ihrer Mutter beobachtet hatte.
Weitere Kostenlose Bücher