Elfenkuss
Krankenhausrechnungen.«
»Sind wir nicht versichert?«
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht gut genug. Wir dachten immer, so was brauchen wir nicht. Aber bei so vielen Untersuchungen und so viel Pflege sind die Rechnungen einfach unermesslich hoch.«
»Gibt es keine andere Möglichkeit?«
»Ich wünschte, es gäbe eine. Ich habe mir das Hirn zermartert, aber wir bekommen nirgendwo mehr Geld
her. Wir haben die Wahl zwischen der Buchhandlung und dem Grundstück. Und unter uns: Das Grundstück ist viel mehr wert. Wir haben den Kredit weit überzogen, um das alles zu bezahlen. Jetzt leiht uns niemand mehr etwas.« Sie wandte sich Laurel zu. »Ich muss vernünftig sein. In Wahrheit ist es so«, sie brach ab, weil ihr wieder die Tränen kamen, »vielleicht wacht dein Vater nie wieder auf. Nie wieder. Ich muss in die Zukunft blicken. Der Laden ist unsere einzige Einnahmequelle. Und selbst wenn er wieder aufwacht, können wir uns von einem solchen finanziellen Desaster nicht erholen, ohne irgendetwas zu verkaufen. Du weißt, wie viel das Geschäft deinem Vater bedeutet. Was würdest du mir raten?«
Laurel konnte die traurigen braunen Augen ihrer Mutter eigentlich nicht mehr ertragen, aber sie konnte nicht wegsehen. Sie drängte Tamani aus ihren Gedanken und versuchte, vernünftig zu denken. Entschlossen schob sie das Kinn vor und sagte mit einem Nicken: »Du musst das Grundstück verkaufen.«
Das Gesicht ihrer Mutter war hager, ihre Augen verschattet. Sie hob die Hand und strich Laurel über die linke Wange. »Ich danke dir für dein Verständnis. Ich wünschte, ich hätte die Wahl, aber ich kann es mir definitiv nicht aussuchen. Morgen früh kommt Mr Barnes mit weiteren Dokumenten wieder und dann ist es amtlich. Er will den Vertrag so schnell wie möglich notariell beglaubigen lassen, sodass das Geld mit ein bisschen Glück in einer Woche auf unserem Konto ist.«
»In einer Woche?« Es ging alles so schnell.
Ihre Mutter nickte.
Laurel musste noch etwas loswerden. »Du hast dich ziemlich seltsam benommen, als er da war. Du hast die ganze Zeit gestrahlt und zu allem Ja gesagt.«
Ihre Mutter sah sie skeptisch an. »Das war mein Geschäftsgesicht. Ich möchte einfach nicht, dass dieser Verkauf noch durch irgendwas behindert wird. Mr Barnes hat siebenhundertfünfzigtausend geboten. Damit könnten wir die Arztrechnungen bezahlen und hätten noch etwas übrig.« Sie seufzte. »Ich habe keine Ahnung, warum er so viel bietet, doch ich möchte verkaufen, solange der Preis so hoch ist.«
»Aber du hast alles unterschrieben, was er dir vorgelegt hat«, fuhr Laurel fort. »Du hast es nicht einmal gelesen.«
Ihre Mutter nickte traurig. »Ich weiß. Mir fehlt einfach die Zeit. Ich möchte dieses Angebot ergreifen, solange es auf dem Tisch liegt. Wenn ich es wieder hinauszögere, findet er uns womöglich zu wischiwaschi und zieht das Angebot zurück.«
»Das ist bestimmt nicht dumm«, sagte Laurel. »Aber …«
»Bitte sag nichts mehr, Laurel. Ich kann mich jetzt nicht mit dir streiten.« Sie nahm Laurels Hand. »Du musst mir vertrauen, ich versuche, das Beste zu tun. Okay?«
Laurel nickte widerwillig.
Ihre Mutter stand vom Boden auf und wischte sich
die letzten Tränenspuren ab. Dann zog sie Laurel hoch und umarmte sie. »Wir schaffen das«, versprach sie. »Egal was passiert, wir finden immer einen Weg.«
Als sie ins Zimmer ihres Vaters zurückkehrten, wanderte Laurels Blick zu dem Stuhl, auf dem Mr Barnes gesessen hatte. Es passte gar nicht zu ihr, jemanden so entschieden abzulehnen, den sie gar nicht kannte. Doch allein bei der Vorstellung, auf dem gleichen Stuhl zu sitzen wie er, bekam sie eine Gänsehaut. Sie ging zum Tisch und sah sich seine Visitenkarte an.
Jeremiah Barnes, Makler.
Darunter stand eine Adresse in der Stadt.
Die Karte wirkte seriös, aber Laurel war nicht überzeugt. Sie steckte die Visitenkarte in die Hosentasche und ging zu David. »Hast du Hunger, David?«, fragte sie und sah ihn vielsagend an.
Er konnte ihr nicht folgen. »Eigentlich nicht.«
Sie trat näher und krallte sich hinten in seinem Hemd fest. »Mom, ich gehe kurz mit David essen. In ein paar Stunden sind wir zurück.«
Ihre Mutter sah sie leicht überrascht an. »Es ist schon nach neun.«
»David hat Hunger«, sagte sie.
»Wie ein Wolf«, bestätigte David mit einem Lächeln.
»Und er hat mich hergefahren, obwohl morgen Schule ist«, fügte Laurel hinzu.
Laurels Mutter sah sie zweifelnd an, widmete sich dann
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