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Elfenkuss

Titel: Elfenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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Familie der Einfachheit halber gleich abgeschlachtet und beraubt hatten. Im Augenblick erschien ihr Letzteres plausibler.
    Tamani zog einen Gürtel aus dem Rucksack und überprüfte die Taschen daran. Er gab ihr einen Ledergurt mit einem kleinen Messer. »Für den Fall«, sagte er.
    Das Messer wog schwer in ihrer Hand und einige Sekunden starrte sie es nur an.

    »Man kann es um den Bauch binden«, drängte Tamani.
    Laurel warf ihm einen bösen Blick zu, band sich dann aber den Gurt um den Bauch und schnallte ihn zu.
    »Fertig?«, fragte Tamani. Seine Miene war ernst. Die Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen, warfen lange Schatten, die Streifen über seine Augen zeichneten. Er hatte vor Konzentration die Stirn gerunzelt, und eine schmale Falte zwischen den Augen trübte das Bild, das als Werbung mit einem sinnenden Model hätte durchgehen können.
    »Fertig«, flüsterte sie.
    Tamani stieg aus und schloss sehr leise die Wagentür. Als Laurel den Sicherheitsgurt löste, spürte sie Davids Hand auf ihrer Schulter. Sein Blick schoss kurz zu Tamani, als sie zu ihm aufsah. »Geh nicht«, flüsterte er eindringlich.
    Sie drückte ihm die Hand. »Ich muss. Ich kann ihn nicht allein gehen lassen.«
    David hob entschlossen den Kopf. »Komm zurück«, befahl er.
    Laurels Mund gehorchte ihr nicht, um die Worte herauszubringen, aber sie nickte und machte die Tür auf. Tamani steckte den Kopf noch mal ins Auto und sah David an. »Fahr in acht Minuten näher heran. Wenn bis dahin nicht alle in diesem Haus wissen, dass wir da sind, liegt das daran, dass wir tot sind.«
    David schluckte.
    »Pass ganz genau auf. Wenn sich einer von ihnen
dem Wagen nähert, fahr weg – wenn sie dich kriegen, ist es für uns längst zu spät. Fahr dann zum Grundstück und berichte Shar.«
    Das gefiel Laurel ganz und gar nicht.
    Tamani zögerte. »Es tut mir leid, dass ich dir nicht erlauben kann, mehr für uns zu tun«, sagte er ernsthaft. »Das kannst du mir glauben.« Er schloss die Tür, nahm Laurels Hand und schritt auf das Haus zu, ohne sich noch mal umzuschauen.
    Sie gingen so um das Haus mit den vielen Anbauten herum, wie Laurel und David es am Vorabend auch gemacht hatten. Laurel schnürte es die Brust zu, als sie sich ihrer eigenen Spur folgend den Wesen näherte, die sie hatten umbringen wollen. Wer geht schon freiwillig in den Tod? , fragte sie sich kopfschüttelnd. Doch sie hielt den Blick auf Tamanis Rücken gerichtet. Es machte ihr Mut, dass er sich so selbstbewusst anschlich. Ich bin seinetwegen hier , betete sie sich im Geiste immer wieder vor, bis es ganz vernünftig klang.
    Als sie an das eingeschlagene Fenster gelangten, schoss Tamanis Hand vor und drückte sie an die abblätternde Außenwand. Er lugte durch den kaputten Fensterrahmen; die Orks hatten sich nicht mal die Mühe gemacht, das Loch mit Brettern zu vernageln. Dann griff Tamani in eine seiner Gürteltaschen, holte etwas heraus, das wie ein brauner Strohhalm aussah und steckte etwas Kleines hinein. Er ging auf ein Knie, streckte die Arme aus und wäre für einen Augenblick von jemandem in dem Raum zu sehen gewesen, bevor er in den
Strohhalm blies und Laurel hörte, wie etwas durch die Luft sauste.
    Im nächsten Moment warf Tamani sich auf den Bauch und kroch unter dem zersplitterten Sims auf die Rückseite des Hauses. Laurel folgte ihm ebenfalls kriechend. »Was hast du gemacht?«, fragte sie flüsternd. Doch Tamani legte einen Finger auf die Lippen und kroch weiter. Kurz darauf hörte Laurel leise die Geräusche einer Unterhaltung. Ein Stückchen vor ihr hatte auch Tamani angehalten und beobachtete das Wenige, das er um die Ecke herum sehen konnte. Er schaute nach oben auf ein altes Spalier und grinste. Dann drehte er sich zu Laurel um, zeigte neben sich auf den Boden und sagte ohne Worte: »Bleib hier.«
    Laurel wollte widersprechen, aber als sie die Risse und Sprünge in dem Gitter entdeckte, sah sie ein, dass ihr zusätzliches Gewicht sicher nicht helfen würde. Tamani kletterte lautlos an dem Spalier hoch, was Laurel bei dem wackligen Holznetz überhaupt nicht für möglich gehalten hatte, und erinnerte eher an einen flinken Affen, der einen Baum erklomm, als an etwas entfernt Menschliches.
    Laurel ging an der Hausecke in die Hocke und spähte um die Hauswand. Scarface und sein Freund lümmelten sich auf einem schmutzigen Sofa auf einer ebenso dreckigen Veranda. Sie sprachen zu leise, als dass Laurel etwas hätte verstehen können, aber im Hinblick auf ihre

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