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Elfenkuss

Titel: Elfenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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Unterhaltung am Vorabend war das wahrscheinlich besser so.

    Scarface gähnte, und der andere Ork sah aus, als würde er gleich einschlafen. Laurel hörte es ganz leise knacken, als Tamani über das Dach lief, aber die beiden Orks waren anscheinend zu müde oder zu abgelenkt, denn keiner von beiden hob den Blick.
    Obwohl sie ja darauf gefasst war, hätte Laurel beinahe überrascht aufgeschrien, als Tamani vom Dach flog und anmutig vor den beiden Orks landete. Blitzschnell stieß er die Hände vor und knallte ihre Köpfe mit einem dumpfen Dröhnen aneinander. Sie sanken in die Sofakissen und rührten sich nicht mehr.
    Laurel machte einen Schritt nach vorne und zertrat knisternd ein Blatt.
    »Moment«, sagte Tamani leise. »Ich bin noch nicht fertig. Guck nicht hin.«
    Die Versuchung war zu groß. Er sah sie nicht an, deshalb zog sie sich nicht wieder hinter die Hausecke zurück, sondern schaute in atemloser Erwartung zu.
    Tamani stemmte sein Knie an die Schulter von Scarface und nahm sein Gesicht in beide Hände. Als Laurel kapierte, was er vorhatte, war es schon zu spät. Ihre Augen wollten sich nicht schließen, als Tamani dem Ork den Kopf auf den Rücken drehte und ein ekliges Knirschen an ihre Ohren drang. Tamani legte Scarface wieder in die Kissen, und als er sich dem anderen Ork zuwandte, konnte Laurel nicht anders, sie musste in das erschlaffte Gesicht sehen – es war völlig leblos und zum ersten Mal nicht höhnisch. Als Tamani das Knie in die Schulter des anderen Ork rammte, ging Laurel
schnell hinters Haus zurück und steckte sich die Finger in die Ohren. Nicht dass es viel geholfen hätte. Das Brechen von Reds Genick fand den Weg in ihren Gehörgang und im Geiste füllte sie die Lücken des Nichtgesehenen. Als Tamani ihr sanft einen Finger auf die Schulter legte, zuckte sie zusammen.
    »Los, wir müssen weiter.« Tamani führte Laurel so weit wie möglich an den Orks vorbei, aber sie sah sich trotzdem zu den beiden Gestalten um, die nur zu schlafen schienen.
    »Musstest du das tun?«, flüsterte sie, während sie sich ins Gedächtnis rief, dass diese Männer sie und David hatten töten wollen. Aber in dem trüben Morgenlicht sahen sie so harmlos aus, ihre missgestalteten Gesichter friedlich und schlaff.
    »Ja. Wir Wachtposten haben eine Regel, die besagt, dass man einen Ork nie leben lassen darf. Darauf habe ich einen Schwur abgelegt. Ich habe dir ja gesagt, dass du nicht mitkommen sollst.«
    Im nächsten Moment holte er etwas aus seinem Gürtel und sprühte die Angeln der Hintertür ein.
    Als er die Tür mit einem Schwung öffnete, war kein Laut zu hören. Laurel dachte an Bess und folgteTamani nur sehr zögerlich. Doch sie lag reglos auf dem Fußboden. Tamani hockte sich neben sie und zog einen kleinen Pfeil aus ihrem Hals. Laurel fiel der braune Strohhalm wieder ein, und sie begriff, was er getan hatte.
    »Ist sie tot?«, fragte sie flüsternd.
    Tamani schüttelte den Kopf. »Sie schläft nur. Die
Todespfeile sind viel größer und wirken nicht so schnell. Sie hätte ein paar Mal gewimmert und alles ruiniert.« Er griff wieder in seinen Gürtel und seufzte, als er ein Fläschchen aufschraubte. »Um solche wie diese tut es mir leid. Die zu dumm sind, um zu wissen, was sie tun. Sie haben nicht mehr Schuld als ein Löwe oder ein Tiger, die ihre Beute reißen, jedenfalls am Anfang. Wenn sie aber erst zu bösartigen Elfenhassern dressiert wurden, die jeden Befehl ihres Herrn ausführen, sind sie für immer gefährlich.« Er zog eines von Bess’ Augenlidern hoch und ließ zwei Tropfen der gelben Flüssigkeit in ihr Auge fallen. »In ein paar Minuten ist sie tot«, sagte er und verstaute das Fläschchen wieder im Gürtel.
    Tamani drehte sich zu Laurel um und trat so nah an sie heran, dass er ihr ins rechte Ohr flüstern konnte: »Ich weiß nicht, wo der Letzte ist. Wenn wir ihn finden und überraschen können, ist es einfach. Folge mir also, aber von nun an kein Wort mehr. Verstanden?«
    Laurel nickte und hoffte, so leise schleichen zu können wie er. Sie war sich noch nie im Leben unbeholfen vorgekommen – sie war immer anmutiger gewesen als alle anderen -, aber verglichen mit Tamani war sie geradezu stoffelig. Sie sah zu, wie er die Füße setzte und ahmte ihn genau nach. Auf diese Weise gelang es auch ihr, mehr oder weniger lautlos die Treppe hochzuschleichen.
    Sie gingen an drei offenen Türen vorbei, in denen nur mit Laken bedeckte Möbel und wirbelnde Staubpartikel
zu sehen waren. Als Tamani durch die

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