Elfenkuss
sarkastisch.
»Bist du sicher, dass du allein gehen willst?«
»Wir sollten die Truppe klein halten.« Tamani grinste. »Außerdem sind sie nur zu viert und einer von ihnen ist ein minderer Ork. Du bist nur eifersüchtig, weil ich dich nicht mitnehme.«
»Ein bisschen vielleicht, aber, Tam, einer von ihnen ist ein höherer. Unterschätze ihn nicht. Ich möchte nicht an deinem zermatschten Fruchtmark stehen.«
»Musst du nicht, versprochen.«
Shar schwieg einen Augenblick, hob dann das Kinn und nickte. »Möge der Blick der Hekate auf dir ruhen.«
»Und auf dir«, erwiderte Tamani leise und wandte sich ab.
Als sie auf dem Weg zurückeilten, staunte Laurel noch immer, wie gut es ihr ging. Nach der Qual, David und sich aus dem Fluss zu befreien, war sie so fertig gewesen wie noch nie zuvor. Jetzt fühlte sie sich voller Energie und wäre bei dem leichten Druck von Tamanis Hand am liebsten gehüpft.
Doch nach einem Blick auf Tamanis grimmige Miene unterdrückte sie dieses Bedürfnis. Kurz darauf kam das Auto in Sicht. »Bist du bereit?«, fragte Laurel.
»Einen Haufen Orks plattzumachen? Ja. David zu treffen? Ganz bestimmt nicht.«
Einundzwanzig
Z u Davids Gunsten musste gesagt werden, dass er gut mit der Begegnung umging, zumal er von einem Fremden wachgerüttelt wurde, der ihn beinahe böse ansah, während Laurel sie stammelnd vorstellte. Ihm erschien es weniger seltsam als Laurel, dass die Männer Orks gewesen waren, und Laurel überlegte, ob er wirklich schon wach war oder etwa unter Schock stand. Wie auch immer, er war gerne bereit, den Chauffeur zu spielen.
Tamani setzte sich nach hinten, ließ die Tür offen und lud Laurel mit Blicken ein, sich neben ihn zu setzen. Sie warf David einen Blick zu – seine Sachen waren zerknittert und schmutzig von ihrem Flussabenteuer, und sein Gesicht war geschwollen, wo sie ihn geohrfeigt hatte -, lächelte entschuldigend und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Tamani gab sich allerdings nicht so leicht geschlagen, und während David auf die Autobahn auffuhr, beugte Tamani sich vor und schlang einen Arm um die Kopfstütze, sodass er ihn Laurel auf die Schulter legen konnte.
Falls David das im Dämmerlicht sah, sagte er nichts dazu.
Laurel sah auf die Uhr. Es war fast vier. Sie seufzte. »Meine Mom dreht durch. Und was ist mit deiner?«, fragte sie David.
»Das hoffe ich nicht. Ich habe ihr gesagt, dass ich vielleicht die ganze Nacht mit dir dableibe, und sie hat gesagt, es wäre nicht so schlimm, wenn ich morgen nicht zur Schule ginge. Aber ich rufe sie an, wenn es spät genug ist, und sage ihr, dass ich noch bei dir bin.«
»Wenn sie wüsste …« Laurel verstummte.
David wechselte das Thema. »Wie lautet der Plan?«
Tamani antwortete: »Ihr bringt mich zu diesem Haus. Ich erledige die Orks und ihr bringt mich zurück. Ganz einfach.«
»Erzähl mir mehr über diese Orks«, bat David. »So was Schreckliches habe ich noch nie gesehen.«
»Hoffentlich bleibt es dabei.«
David erschauerte. »Das hoffe ich auch. Dort am Fluss … hat mich dieser Ork hochgehoben, als wäre ich leicht wie eine Feder. So klein bin ich nun auch wieder nicht.«
»Du bist größer als ich, wie ich zugeben muss.« Als Tamani sich an Laurel wandte, war es mit dem verträglichen Ton vorbei. »Orks sind … nun ja, eine Art Panne in der Entwicklungsgeschichte. Es sind Tiere wie du, David, sogar Primaten. Aber besonders menschlich sind sie nicht. Sie sind stärker als Menschen, wie du gemerkt hast, und leider heilen ihre Wunden auch schneller. Als hätte die Evolution einen Übermenschen schaffen wollen, es aber irgendwie vermasselt.«
»Nur weil sie so hässlich sind?«, fragte David.
»Die Hässlichkeit ist Nebensache. Das Problem ist, dass sie nicht zusammenpassen.«
»Was meinst du damit, sie passen nicht zusammen?«, fragte Laurel.
»Das unterscheidet sie von Elfen: Wir sind symmetrisch. Die Menschen sind fast symmetrisch – soweit Tiere mit ihren chaotischen Zellen dazu in der Lage sind. Zwei Augen, zwei Arme, zwei Beine. In derselben Länge mit den gleichen Proportionen – mehr oder weniger. Eigentlich echt beeindruckend.«
»Wieso eigentlich?«, fragte David erregt.
»Weil eure Zellen eigentlich so unregelmäßig sind. Das kannst du nicht bestreiten, jedenfalls nicht, wenn du so schlau bist, wie Laurel immer behauptet.« Der Unterton dieser Bemerkung war nicht zu überhören, aber David war anscheinend besänftigt.
»Laurel und ich« – Tamani streichelte ihren Nacken
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