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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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könnten. Doch der Anblick von Firnstayn war noch viel überwältigender. Sie versuchte zu schätzen, wie viele Häuser, Hüten und Bootsschuppen dort unten am Ufer standen. Es mussten mehr als fünfhundert sein! Wie viele Menschen mochten dort leben? Fünftausend? Oder noch mehr? Wie eine große Rentierherde. Doch die Rentiere mussten von Weide zu Weide wandern. Wie schafften es so viele Menschen auf Dauer, an einem Ort zu leben und nicht zu verhungern? Ein hoher Erdwall mit einer hölzernen Palisade umgürtete die Stadt. Und wie eine Krone erhob sich eine weite Festhalle über der Siedlung. Die Halle des Königs. Dort musste der legendäre Alfadas leben. Der Elfensohn, wie sie ihn auch nannten. Er hatte die Trolle vertrieben, nachdem sie fast das ganze Land verwüstet hatten. Und er hatte das Königreich aus der Asche wieder auferstehen lassen und zu neuer Größe geführt.
    Seit ihrer Kindheit hatte Kadlin unzählige Male gelauscht, wenn die Jäger abends an den Feuern saßen und von ihrem König erzählten. Alfadas! Sein Name hatte sie immer berührt. Er weckte einen süßen Schmerz in ihr, eine Sehnsucht danach, ihm nahe zu sein und ihm zu dienen.
    Sie erinnerte sich noch genau an einen nebligen Herbsttag, an dem die Wolken in die Täler hinabgestiegen waren und die Elfe Silwyna sie besucht hatte. Beim Anblick ihres Bogens hatte Kadlin beschlossen, eine Jägerin zu werden. Der König brauchte immer Jäger, um seine vielen Krieger mit frischem Fleisch zu versorgen. Auch Silwyna war eine Jägerin. Ein-oder zweimal im Jahr, meist im Frühling und im Herbst, kam sie, um ihre Eltern zu besuchen, mit denen sie sich angefreundet hatte. Sie war auch die Bettgefährtin des Königs. Bei ihrem ersten Besuch war Kadlin nicht einmal stark genug gewesen, um einen Bogen zu spannen. Die junge Frau lächelte. Seitdem war viel Zeit vergangen.
    »Und?« Kalf, ihr Vater, hatte sie aufmerksam beobachtet. Er wirkte angespannt, auch wenn er sich alle Mühe gab, es sich nicht anmerken zu lassen. Er war gegen diese Reise gewesen, und noch gestern Abend hatte er am Lagerfeuer versucht, sie ihr auszureden. Kalf mochte keine großen Siedlungen und mied sie wie ein Wolf den Schneelöwen. Er schien in ihnen eine Gefahr zu sehen. Warum das so war, hatte er Kadlin nie sagen wollen. »Wie gefällt dir, was du siehst? Man kann den Gestank der vielen Menschen selbst hier oben riechen. Das ist gegen die Gesetze der Götter, dass so viele Leute auf einem Fleck leben. Sie werden in ihrem eigenen Mist ersticken! Ich vermisse schon jetzt die klare Luft der Berge.«
    Kadlin atmete tief durch. Was ihr Vater sagte, war Unsinn! Die Luft war gut. Die Jägerin betrachtete die steile Felsklippe auf der anderen Seite des Fjords. Ein Kreis aus stehenden Steinen fasste den Gipfel ein, ein verzauberter Ort, durch den die Elfen in ihre Welt gelangten. Einst war Alfadas auf Befehl des alten Königs mit einem ganzen Heer durch diesen Steinkreis gezogen.
    Der schroffe Gipfel kam ihr seltsam vertraut vor. Sie war doch nie zuvor hier gewesen! Ob sie ihn vielleicht im Traum gesehen hatte? Manchmal quälten sie noch Albträume aus dem Elfenwinter. Ihre Eltern waren damals mit ihr in die Berge geflohen. An das meiste erinnerte sich Kadlin nicht wirklich. Sie kannte es aus Erzählungen, und es gab keine Bilder dazu in ihrem Gedächtnis. Doch sie wusste, dass sie einmal Trollen begegnet war. Sie waren riesig. Sie hatten nach Rauch und Winter gestunken. Und es war ein Weib bei ihnen gewesen, das sein Gesicht hinter einer Maske aus Haut versteckt hatte. Dieses Trollweib war gekommen und hatte sie in den Armen gehalten. Wenn sie davon träumte, fuhr sie selbst heute noch schreiend aus dem Schlaf hoch. Die Berührung der mit Lumpen umwickelten Trollhände war wie die Berührung des Todes gewesen. Kadlin wusste nicht, warum sie und ihre Eltern noch lebten, obwohl sie auf ihrer Flucht den Menschenfressern begegnet waren. Ihre Mutter Asla hatte immer versucht, ihr diese Geschichte auszureden. Sie sagte, das sei niemals geschehen, doch sie sagte es mit solcher Entschiedenheit, dass Kadlin ihr nicht glaubte. Warum Mutter sie belog und warum die Trolle sie nicht getötet hatten, war ein Geheimnis. Und auch Kalf mochte darüber nicht reden, obwohl Asla nun schon seit drei Jahren tot war.
    Nachdenklich blickte sie zu der Stadt am Fjord. Dort war sie nie gewesen, da war sie sich ganz sicher. An einen solchen Ort müsste sie sich doch erinnern. Im Süden der Stadt lag ein großes

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