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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Hartungskliff zwischen den verzauberten Steinen. Besonders in Nächten, in denen das grüne Feenlicht über den Himmel zieht und das Land unter dem Leichentuch des Winters liegt. Dann flüstere ich dort deinen Namen. Und ich hoffe, dass sich das magische Tor öffnet und ich nach Albenmark zurückkehren kann. Meinen Sohn Melvyn habe ich nie gesehen. Ich habe ihm angetan, was mir mein Vater angetan hat. Ich habe ihn allein in der Fremde aufwachsen lassen. Silwyna erzählt nur wenig von ihm. Sie ist bei mir geblieben. Das hättest du nicht gedacht, nicht wahr? Ich selbst kann es oft nicht fassen. Natürlich ist sie mir nach Art der Maurawan treu geblieben. So wie eine Katze, die sich einen Menschen erwählt, bei dem sie bleibt. Manchmal verschwindet sie für viele Wochen auf ihre Streifzüge, und dann erwache ich eines Morgens, weil sich ihr warmer Leib an meinen Körper schmiegt. Sie kommt immer zurück. Ich weiß, auch du wirst zurückkehren, mein Freund. Ich wünsche es mir so sehr. Du wirst einen alten Mann finden. Vielleicht auch nur noch ein Grab. Aber aus dem Grab werden meine Briefe zu dir sprechen. Setz dich oben auf das Hartungskliff zwischen die Elfensteine, wenn du sie liest. Und lausche auf den Wind. Dort werde ich dir nahe sein, auch wenn mein Leib längst Staub geworden ist. Die Zeit ist ein trügerischer Freund, Schwertmeister. In meiner Jugend hat sie mir fast jeden Tag ein Geschenk gemacht. Doch nun ist sie zum Dieb geworden. Jeden Tag nimmt sie etwas von mir mit. Und nicht mehr lange, und ich werde ganz verschwunden sein. Meine Leute nennen mich Elfensohn oder auch Elfenkind. Aber wie ein Elf bin ich nie geworden. Ich habe nie das Geheimnis ergründet, wie man sich die Zeit zum ewigen Verbündeten macht. Das Zauberwort, das einen davor bewahrt, dass sie zum Dieb der Jahre wird.
    Eine Geschichte muss ich dir noch erzählen, bevor die Kerze niedergebrannt ist und nur noch das kalte Feenlicht am Himmel bleibt. Sie wird dich schmunzeln lassen, das weiß ich. Mein Sohn Ulric ist ein Krieger geworden. Ein Mann, der seinen Vater mit Stolz erfüllt. Er trägt Weiß als seine Farbe, wie du, und er ist schön wie ein Elf. Meine Leute fürchten ihn, doch davon möchte ich jetzt nicht reden. Es ist eine merkwürdige Eigenart der Menschen, von der ich dir berichten möchte. Sie lässt Silwyna und Ulric zu einer Person verschmelzen. Nur ein paar Tagesritte von Firnstayn entfernt erzählt man sich, du wärst immer noch an meiner Seite, mein Freund. Sie nennen dich Ollowyn, und sie sagen, dass du bei jedem Kampf an meiner Seite seiest. Dabei ist es Ulric, der neben mir reitet. Ich mache mir Sorgen um ihn. Manchmal ist es, als gebe es ihn gar nicht. Sei ihm ein Freund, wie du mir ein Freund warst, falls ich bei deiner Rückkehr nicht mehr hier bin. Er wird dich brauchen.
    Nun werde ich mein Pferd satteln lassen und mich auf den Weg hinauf zum Hartungskliff machen. Ich werde Blut mitnehmen. Erinnerst du dich noch an ihn? Den großen hässlichen Hund, der Ulric und Halgard gerettet hat und auch Yilvina. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Diebin Zeit sich vor seinen langen Fängen fürchtet. Er ist immer noch stark, auch wenn er längst eine graue Schnauze bekommen hat. Blut begleitet mich oft. Und manchmal, wenn sich die Pforten der Geisterwelt öffnen, sehe ich meine kleine Kadlin auf ihm reiten, und ich höre sie lachen. Das Hartungskliff ist ein guter Ort, um den Geistern nahe zu sein. Wenn ich dort allein bin und dem Wind lausche, höre ich manchmal Flötenspiel. Vielleicht spielt Xern auf seiner Hirtenflöte im Schatten der alten Eiche Atta Aikhjarto. Ich weiß, die beiden sind nur einen Schritt entfernt und doch so unerreichbar für mich, wie du es bist, mein Freund. Jedes Mal, wenn ich hinauf zum Kliff reite, hoffe ich, das Tor wird sich öffnen, und du wirst mir entgegentreten. Wenn Luth es so gefügt hat, werden wir uns also schon in wenigen Stunden begegnen. Das Land hat deine Farbe angelegt, Ollowain. Und falls ich dich wieder einmal nicht treffen sollte, dann wird mir der eisige Winterwind vielleicht meine Sehnsucht aus der Seele schneiden.«
    XXIII. BRIEF DES KÖNIGS ALFADAS AN DEN ELFEN OLLOWAIN, VERTRAULICHES DOKUMENT, TRUHE 9, EICHENGEWÖLBE DER BIBLIOTHEK ZU FIRNSTAYN

DIE JÄGERIN

    Kadlin blickte fassungslos auf die Stadt am Fjord. Als sie vor fünf Tagen Sunnenberg erreicht hatten, war sie schon überwältigt gewesen; niemals hätte sie gedacht, dass so viele Menschen so dicht beieinander leben

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