Elfenlicht
kenne Pferde, die weniger heftig zutreten.« Er grinste. Blut troff von seiner aufgeplatzten Unterlippe.
Seine freundliche Art machte alles nur noch schlimmer. Kadlin konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. »Tut mir leid«, murmelte sie.
»Wirklich?«
»Sonst würde ich es wohl kaum sagen. Oder hältst du mich für eine Heuchlerin?«
»Ich dachte eigentlich, dass ich mich entschuldigen sollte. Ich habe mich dir gegenüber sehr ungehobelt benommen. Wer zu Unrecht Schaden erlitten hat, der darf nach den Gesetzten des Fjordlands zur Wiedergutmachung ein Wehrgeld einfordern.«
Kadlin schnappte nach Luft. Diese neuerliche Beleidigung traf sie völlig unerwartet. Er war es doch, der im Dreck gesessen hatte. Wie konnte er sich jetzt so aufspielen, als sei er der Sieger ihres Zweikampfs!
»Es tut mir aufrichtig leid, dass mein Kinn deiner Hand so übel mitgespielt hat. Ich möchte dich gern für die Mittags
stunde in die Gasse der Tuchhändler einladen und dir als mein Wehrgeld ein Kleid schenken, damit nicht noch mehr Krieger sich leichtfertig dazu hinreißen lassen, über dich zu spotten. Unser König braucht sein Heer schließlich, um gegen die Trolle zu ziehen, und kann es sich nicht leisten, dass seine Truppe von einer zornigen jungen Jägerin zusammengeschlagen wird.«
Kadlin wurde aus dem Kerl nicht schlau. Seine Stimme klang aufrichtig. Er schien sie nicht verspotten zu wollen. Auch keiner der anderen Krieger feixte. Welch ein merkwürdiger Haufen die Reiter des Königssohns waren!
Björn schwang sich in den Sattel. »Es war mir eine Ehre, dich kennen gelernt zu haben, Kadlin, die sich nicht hinter dem Namen ihres Vaters versteckt.«
DER SCHATTEN IM SAFRAN
Seit er Leylin auf dem Fest gesehen hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie war leichte Beute, redete er sich ein. Er hatte bemerkt, wie sie ihn verstohlen beobachtet hatte. Doch ganz im Gegensatz zu den anderen Fürstinnen war sie seinem Blick ausgewichen. Er hatte einen gewissen Ruf, und Melvyn genoss es, damit zu spielen. All die feinen Elfendamen auf dem Fest hatten vermutlich schon Dutzende Geschichten über ihn gehört. Über den Halbelfen, aufgewachsen unter Wölfen in den dunklen Wäldern am Fuß der Slanga-Berge.
Melvyn pflegte seinen Ruf mit Hingabe. Auf Festen erschien er stets mit denselben Kleidern, die er auch im Kampf trug. Und wenn auf seinem Wams ein paar Spritzer eingetrockneten Bluts waren, umso besser. Er hielt nicht viel davon, sich herauszuputzen. Er hatte zwar keinen Körpergeruch, doch seine Kleider rochen nach seinen Gefährten. Nach Wölfen, Pferden und Adlern, nach dem etwas verrückten Lamassu Artaxas, nach Kentaurenschweiß, Koboldtabak und Blut. Er war ein Albtraum für die spießigen Elfenfürsten mit ihren langweiligen Festen. Und er war der Traum ihrer Frauen, die sich inmitten eines in Förmlichkeiten erstarrten Lebens nach Abenteuern sehnten. Die meisten von ihnen waren verdammt selbstsicher. Sie scheuten es nicht, ganz offen mit ihm anzubandeln. Mit Leylin war es anders. Vielleicht war sie ja besonders durchtrieben? Aber das war unwahrscheinlich. Er hatte sie beobachtet, und er hatte Erkundigungen über sie einziehen lassen. Jeder gute Jäger kannte sein Wild!
Leylin war schön wie Waldlicht an einem Frühlingsmorgen. Und so wie dieses Licht die Nebelschwaden zwischen den dunklen Baumstämmen wie von Zauberhand verschwinden ließ, so hatte Leylins Anblick seine üble Stimmung vertrieben, als er sie vor drei Tagen zum ersten Mal gesehen hatte. Sie stammte aus einer unbedeutenden Familie, die allein dadurch zu ein wenig Ansehen gekommen war, dass der Fürst von Arkadien ihre Tochter zu seinem Weib gewählt hatte. Melvyn konnte sich nicht vorstellen, dass bei dieser Heirat Leylins Gefühle eine Rolle gespielt hatten. Shandral, Fürst von Arkadien, war ein gut aussehender Elf. Er hatte hüftlanges, goldblondes Haar und große dunkle Augen. Man munkelte, dass er lange Jahre zu den Schülern der Fürstin Alathaia gehört und mit ihr die dunkelsten Spielarten der Magie erforscht hatte. Seine Schönheit war wie eine winterliche Vollmondnacht in den Weiten der Snaiwamark. Sie war tödlich, wenn man nicht richtig vorbereitet war. Aber das war ja gerade der Reiz. Auf dem Fest hatte es mindestens sechs oder sieben Elfen gegeben, die leicht zu verführen waren. Wenn man Jahrhunderte lebte, dann arrangierte man sich mit dem Gefährten, mit dem man dieses Leben teilte. Treue im Bett war da eine Nebensächlichkeit. Viel
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