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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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von ihm vorherbestimmt. Das ist ein Glaube für Schwächlinge, aber nicht für tapfere Männer. Du wirst das mit den Jahren verstehen. Du wirst die Lügen durchschauen, denn du bist klug. Es gibt nur einen Gott. Und wer klar denken kann, der wird dies schnell erkennen.«
    »Also ...« Ulric zuckte verzweifelt mit den Schultern. Was der Fremde sagte, klang ja vernünftig. Jules war gut darin, schöne Worte zu machen. Doch das war das tägliche Brot von Priestern. Was er behauptete, konnte nicht die Wahrheit sein. Es durfte sie nicht sein! Er musste Luth verteidigen. Aber er wusste nicht, wie. Er stand vor Jules‘ Geschwätz wie ein Krieger vor einem mächtigen Schutzwall, in dem er keine Lücke entdecken konnte. Und während ihn von der hohen Mauerkrone die Feinde verspotteten, blieb ihm nichts, als hilflos sein Schwert zu heben. So gut er als Krieger auch sein mochte, in diesem Kampf konnte er unmöglich siegen. »Du hast Unrecht. Etwas ist falsch an den Dingen, die du sagst. Das fühle ich. Aber ich kann das nicht in Worte fassen wie ein Priester. Ich ... Ich wünschte, Gundar wäre hier. Er würde dir die richtigen Antworten geben können.«
    »Du hast diesen Gundar sehr gemocht, nicht wahr?« Ulric war überrascht, dass Jules nicht aufbrauste. Stattdessen nickte der Tjuredpriester verständig.
    »Alle mochten ihn«, bekräftigte der Junge. »Mein Vater hat immer gesagt, es sei im Dorf viel friedlicher geworden, nachdem Gundar zu uns gekommen sei. Dabei hat er gar nicht so viel getan. Er hat den Leuten zugehört, wenn sie kamen ...«
    Ulric lächelte. Ganz deutlich hatte er den dicken alten Mann jetzt wieder vor Augen. Er vermisste ihn. Wenn Gundar noch hier wäre, dann gäbe es den Streit mit Eirik gewiss nicht. »Er hat eigentlich immer etwas gegessen, wenn man bei ihm war. Und auch wenn er zu Besuch kam ... Er sagte immer, wer den Mund voll hat, der kann die, die reden sollten, nicht vor der Zeit unterbrechen.«
    Jules lachte leise. Es klang nicht spöttisch, sondern kam von Herzen. »Er ist also ein weiser Mann, dein Freund Gundar. Wenn er davon überzeugt ist, dass es einen Gott wie Luth gibt, dann sollte man das wohl nicht einfach abtun. Er wird wissen, woran er glaubt.«
    Endlich begriff der Fremde, dass er es war, der sich hier irrte, dachte Ulric erleichtert. Jules schien nett zu sein. Auch wenn er Schwierigkeiten hatte, die Wahrheit über die Götter zu erkennen. Vielleicht war dieser Tjured ja eifersüchtig auf die anderen Götter und erzählte Jules deshalb, dass er der einzige Gott sei. Was für ein jämmerlicher Wicht dieser Tjured sein musste!
    »Bringst du mich zu diesem Gundar? Ich würde gern einmal mit ihm reden.« Ulric schluckte. Wieder wurde er von Schuldgefühlen gepackt. »Gundar ist tot.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. »Er starb, als das Wolfspferd in unser Langhaus kam. Er hat uns alle gerettet.« Sie standen sich eine Weile schweigend gegenüber. Ulric hing seinen Gedanken nach. Er war froh, dass Jules jetzt nicht noch mehr Unsinn über seinen verrückten Gott erzählte.
    »In meiner Heimat ehren wir die Toten, indem wir von ihnen sprechen. Magst du mir etwas über deinen Freund Gundar erzählen? Vielleicht, wie er gestorben ist?«
    »Das Wolfspferd hat ihn getötet. Auch wenn die Elfe sagte, es hätte an seinem Herzen gelegen ...« Er zögerte. Bisher hatte er mit niemandem darüber gesprochen. »Eigentlich war ich schuld daran, dass er sterben musste.«
    Jules sah ihn ernst an. »Das hört sich etwas verwirrend an. Wie hat die Geschichte denn begonnen?«
    »Mit meinem Onkel.« Ulric erinnerte sich, wie sie Ole aus den Wäldern geholt hatten. Er war grausam verstümmelt gewesen. Seine Wunden hatten gestunken. Trotzdem hatte Mutter ihn zu sich ins Langhaus genommen. Die meiste Zeit hatte Onkel Ole dann in Fieberträumen gelegen. »Mein Onkel hat Hunde gezüchtet. Er hat sie geschlagen, damit sie böse wurden. Sie sollten Hofhunde werden und jeden Fremden anfallen. Ich glaube, das ist der Grund, warum das Wolfspferd kam. Es war sicher ein Wiedergänger von einem der Hunde, die Onkel Ole zu Tode geprügelt hat. Bestimmt hat er sich nicht die Mühe gemacht, die toten Hunde richtig zu begraben. Mit der Schnauze nach unten und einem Eschenpflock im Herzen ... Jedenfalls gab es dann die Toten. Das war im Herbst, bevor der erste Schnee kam, aber schon nach dem Apfelfest. Die Toten waren sehr seltsam. Niemand im Dorf hatte so etwas je gesehen. Sie waren verschrumpelt und ganz leicht.

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