Elfenlicht
entging nicht die kleinste Einzelheit. Auch wenn er den Mann nicht mochte, wäre es töricht, sich seine Meinung nicht anzuhören.
Der Jäger deutete zu einem Brombeerdickicht. »Dort oben hat ein Troll gelauert und den Kampf beobachtet. Und als sie alle verwundet waren, hat er sein Versteck verlassen und leichte Beute gemacht. Hier auf dem steinigen Grund kann man die Spuren nur schlecht verfolgen. Aber er ist mindestens zweimal hierher gekommen.«
»Und du meinst, er hat sie ...« Ulric mochte nicht aussprechen, was er dachte. Es war ein dummer Aberglaube, aber etwas in Worte zu kleiden, hieß, ihm mehr Gewissheit zu geben. Er hatte das rothaarige Mädchen gemocht. Sie hatten auf dem Marsch in die Berge zweimal miteinander geplaudert. Sie war seltsam. Wild und ungestüm wie ein Keiler und dann manchmal überraschend verletzlich. Sogar sein alter Jagdhund Blut hatte Kadlin gemocht. Sein Vater aber litt an dem jungen Mädchen. Ulric hatte gesehen, wie der König Kadlin manchmal verstohlen beobachtete! Dass sie auch noch Kadlin heißen musste! Luth trieb wirklich ein grausames Spiel mit ihnen! Kadlin, so hatte seine kleine Schwester geheißen, die vor fast sechzehn Jahren während des Elfenwinters umgekommen war. Er konnte sich nur noch undeutlich an sie erinnern. Sein Bild von ihr war vor allem durch die Erzählungen seines Vaters geprägt.
Der Königssohn begleitete Eirik hinauf zu den Brombeerbüschen. Der Troll hatte deutliche Spuren hinterlassen. Etwas warverwunderlich. »Was glaubst du, was diese zerbrochenen Äste zu bedeuten haben?«
Der Jäger zuckte mit den Schultern. »Dafür gibt es keine Erklärung. Dieser Troll hier bewegt sich sehr geschickt. Eigentlich ungewöhnlich für sein Volk. Ich habe den Verdacht, dass auch er ein Jäger ist. Wahrscheinlich hat er das Versteck des Schneelöwen beobachtet und darauf gewartet, dass der Räuber aus seinem Bau kam. Dass er so reichliche Beute machen würde, hätte er sich sicher nicht träumen lassen. Aber diese Äste hier ... Er muss sie mutwillig zerbrochen haben. Vielleicht, um den Schneelöwen durch die Geräusche aufzuschrecken.«
Ulric hob einen der Äste auf. Sie waren dicker als sein Handgelenk, und das Holz war nicht morsch. Man brauchte Bärenkräfte, um einen solchen Ast zu zerbrechen.
»Und Kadlin lebte noch?«
Eirik seufzte. Er war kein Mann, der sich seine Gefühle anmerken ließ, aber auch er hatte Kadlin gemocht. Alle hatten sie gemocht! »Sie hat jedenfalls nicht geblutet. Sie hatte sich mit dem Fuß in einer Wurzel verfangen. Ich schätze, der Fuß war verstaucht. Vielleicht sogar gebrochen. Jedenfalls konnte sie sich aus eigener Kraft nicht mehr von der Stelle bewegen. Aber sie hat nicht aufgegeben. Dort vorne, bei dem Felsen, der ein wenig wie ein Amboss aussieht, findet man Blutstropfen. Ich bin sicher, dass sie den Schneelöwen mindestens einmal verwundet hat, nachdem sie gestürzt war.«
»Aber eine tödliche Wunde war das nicht?«
»Bei allem Respekt, Ulric Alfadasson. Hast du schon einmal Jagd auf einen Schneelöwen gemacht? Die Biester sind zäh wie Sattelleder. Du kannst ihnen einen Pfeil ins Herz schießen, und sie zerreißen dich trotzdem noch, bevor sie begreifen, dass sie tot sein sollten.«
Einer der Jäger winkte weiter oben am Hang. »Hier ist mehr Blut!« Der kleine Suchtrupp sammelte sich. Vier Fährtensucher gingen voraus. Die Spur führte den Felsschlag hinauf und dann dicht oberhalb des Waldes parallel zum Hang. Hin und wieder fanden sie auf weichem Grund einen Fußabdruck des Trolls.
Ulric hielt sich dicht an Eiriks Seite. Der junge Krieger war froh, dass weder Alfadas noch Kalf oder Lambi im Lager bei der Baustelle gewesen waren, als die Nachricht eingetroffen war, dass Kadlin und Björn von ihrem Jagdausflug nicht zurückgekehrt seien. Sie alle waren bei verschiedenen Jagdgruppen in den Bergen, und es war unmöglich, sie jetzt zu benachrichtigen. Im Grunde war Ulric froh darüber. Er konnte hier jetzt keine sorgengebeugten alten Krieger gebrauchen. Der Weg den steilen Hang hinauf brachte selbst viel jüngere Männer an die Grenze ihrer Kräfte.
Ulric beobachtete, wie Schweißtropfen an der Innenseite von Eiriks Oberarm hinabrannen, an seinem Ellenbogen schaukelten und dann auf den staubigen, grauen Felsboden tropften. Der Anführer der Jäger schnaufte nicht, obwohl er schweres Gepäck und Ausrüstung auf dem Buckel trug. Zäh kämpfte er sich voran. Du hast einiges mit dem Schneelöwen gemein, dachte Ulric. Du
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